Stell’ dir vor, es gibt ein Jugendschutzgesetz, aber keinen kümmert’s. So könnte das Fazit der steirischen Jugendstudie lauten: 73,7 Prozent der befragten Schüler gaben an, Alkohol – illegal – bereits vor dem 16. Geburtstag getrunken zu haben. Mehr als zwei Drittel haben schon „einmal harte Getränke“ konsumiert, 61,6 Prozent Wasserpfeife oder E-Shisha geraucht, fast die Hälfte, bevor sie 16 waren, einen Tschick angeheizt. Nach eigenen Angaben konsumieren 13,7 Prozent der steirischen Jugendlichen mindestens einmal pro Woche „harte Getränke“.
Auffallend sind auch die Unterschiede nach Schultypen: In den Kategorien „Rauchen unter 16“ oder „hartes Getränk unter 16“ sind prozentuell deutlich mehr Lehrlinge, also Berufsschüler (Anteil von 61,7 Prozent bzw. 71,4 Prozent) in Konflikt mit dem Gesetz geraten als AHS-Schüler. Nur beim „ersten Alkohol unter 16“ überhaupt liegen die Schultypen fast gleichauf. Hier führen die AHS-Schüler, die zu 77,5 Prozent der Versuchung erlegen sind.
Zahlen, bei denen Celine (16) aus Gratwein-Strassengel, Cosma aus Graz und Philomena (beide 15) aus St. Ruprecht an der Raab nur die Achseln zucken. „Wer hat in dem Alter noch keinen Alkohol probiert“, fragen sie mit der Erfahrung aus ihren Freundeskreisen zurück. Man erliege da einfach einer Mischung aus Neugier und dem Reiz des Verbotenen. Einig sind sich die drei Schülerinnen der HLW für Sozialmanagement der Caritas in Graz auch darin, dass die ersten Alkoholerfahrungen eher nicht daheim mit Eltern passieren. „Das wäre mir extrem unangenehm gewesen“, sagt Celine, „da gab es höchstens einen Schluck Sekt zu Silvester.“
So brechen steirische Jugendliche das Jugendgesetz:
Die Eltern sind das Gesetz
Das Bewusstsein für die Spielregeln des Jugendschutzgesetzes ist bei den drei Schülerinnen aber geschärft. Eine Blitzumfrage zu Ausgehzeiten, Alkohol und Nikotin ergibt eine 100-Prozent-Trefferquote. Celine weiß auch ganz genau, wer das Gesetz ist: „Die Eltern bestimmen, das steht auch im Gesetz“, das nur den Maximalrahmen festlege.
Prinzipiell funktionieren Ausgeh-Verhandlungen daheim gut und vertrauensvoll, sagen die drei. Comsa war auch schon länger als bis 23 Uhr unterwegs, obwohl sie erst 15 Jahre alt ist: „Spätnachts komme ich aber öffentlich nicht mehr gut heim, meistens übernachte ich dann bei einer Freundin.“ Am Land ist alles ein bisschen weniger streng, lacht Philomena, die abends vor allem bei Festen der Landjugend unterwegs ist.
Trinken, Rauchen, Fortgehen – hört man den drei jungen Frauen zu, gewinnt man den Eindruck, das Gesetz ist Richtschnur und Diskussionsgrundlage für Familien, ganz so ernst nimmt das aber keiner. Keine der Schülerinnen hat auch das Gefühl, das über Gebühr kontrolliert werde. „Obwohl mich nachts Kellner beim Bestellen schon zwei mal gefragt haben, ob ich eh 16 Jahre alt bin“, räumt Celine ein. Philomena gießt es in einen Satz: „Auf mich aufpassen muss ich selbst!“ Man könne sich nicht auf ein Gesetz verlassen.
Thomas und Yvonne, beide 18 Jahre alt und Lehrlinge aus dem Raum Kindberg haben sich für einen kleinen Wordrap zum Thema Jugendschutz bereit erklärt. Hier ihre Antworten:
So blau ist die Oststeiermark
Auch regional belegt die steirische Jugendstudie aussagekräfitge Unterschiede: So führen die Schüler der Bezirke Weiz und Hartberg-Fürstenfeld (zusammengefasst) bei Jugendschutzverstößen in allen Belangen. 88,3 Prozent gaben an, „schon einmal Alkohol getrunken zu haben“, 79 Prozent, dass sie jünger als 16 das erste Mal Alkohol getrunken haben. Bereits einmal harte Getränke konsumiert haben vor dem 16. Geburtstag hier 61,5 Prozent. In Summe haben die Jugendlichen in der West-, Süd-, Südost- und Oststeiermark vor jenen in der gesamten Obersteiermark in Sachen Alkoholkonsum die Nase zum Teil deutlich vorne. Familienlandesrätin Ursula Lackner sieht es deutlich weniger entspannt, dass das Verhalten der Jungen laut der Studie so eklatant in Konflikt mit dem Gesetzes steht und verweist darauf, dass die Behörden sehr wohl streng agierten: „2016 wurden mehr als 8000 Kontrollen zum Jugendschutzgesetz durchgeführt und 1190 Verfahren eingeleitet. Betroffen sind nicht nur Jugendliche, sondern in mehr als einem Drittel der Fälle die Erziehungsberechtigten.“ Jugendschutz sei eine Aufgabe für die ganze Familie, vor allem auch die Eltern, mahnt Lackner.
Die Landesrätin begrüßt außerdem, dass das Rauchverbot künftig bundesweit statt bis 16 Jahre bis 18 Jahre gelten wird. Das hebe das Einstiegsalter und senke den Raucheranteil in der Bevölkerung langfristig.
Bernd Hecke