Der Fachkräftemangel ist auch weiblich – vor allem im technischen Bereich. Immer noch interessieren sich viel zu wenig Mädchen und junge Frauen für sogenannte MINT-Berufe. Hinter der Abkürzung stecken die Fachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Ein weites Feld, zukunftsweisend und in der Regel gut bezahlt. Dennoch bremsen stereotype Berufsvorstellungen und Rollenbilder das Interesse und konkrete Engagement von Frauen für diesen Bereich.

Zahlreiche Initiativen haben in den letzten Jahren versucht, diesen Missstand aufzubrechen. Mit überschaubarem Erfolg. Noch immer wird nur ein Viertel aller qualifizierten Wirtschafts- und Technikjobs in Österreich durch Frauen besetzt. Gerade in der Indus­trie ist der Mangel spürbar. Drei von vier Industrieunternehmen kämpfen seit Jahren mit Personalengpässen in Technik und Produktion sowie Forschung und Entwicklung, insbesondere was Digitalisierungsqualifikationen wie Informatik oder Automatisierungstechnik angeht. Nicht zuletzt deswegen wurde kürzlich von Industriebetrieben die MINTality-Stiftung gegründet und mit einem 1,2 Millionen Euro-Jahresbudget großzügig ausgestattet. Zu den Gründungsorganisationen gehört auch die Knapp AG mit Sitz in Hart bei Graz. Der steirische Logistikspezialist hat sich mit anderen führenden Technologieunternehmen zusammengeschlossen, um „speziell Frauen spannende Karrieren in technischen berufen zu ermöglichen“.

Ansetzen will die Stiftung schon bei den Volksschulen. Denn während Mädchen sich im Kindergarten noch wenig von Klischees beeindrucken lassen, fällt auf, dass sie mit Schuleintritt ihr Interesse an MINT-Themen verlieren. Auch später sind sie nur noch schwer für Technik und die damit verbundenen Berufe zu begeistern. Ein wenig erfreulicher Trend, denn gerade der MINT-Bereich ist derzeit besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich aufgrund der demografischen Entwicklung zusätzlich verschärfen. Gleichzeitig wächst die Technik-Branche stetig und gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Weibliche Vorbilder in technischen Spitzenpositionen sind immer noch die Ausnahme
Weibliche Vorbilder in technischen Spitzenpositionen sind immer noch die Ausnahme © (c) Gorodenkoff - stock.adobe.com (Gorodenkoff Productions OU)

Umgekehrt fehlt es immer noch an öffentlichen Vorbildern, weshalb sich Mädchen und junge Frauen tendenziell weniger mit dem MINT-Bereich identifizieren, geben Experten zu bedenken. Inspirierende Role-Models seien nämlich ein wesentlicher Aspekt in der Berufsorientierungsphase. Daher müsse Diversität in Unternehmen verankert und gelebt werden, da sich so nicht nur Chancen auf eine höhere Innovationskraft eröffnen, sondern auch die Attraktivität für neue, potenzielle Mitarbeiterinnen erhöhe. „Außerdem führt Diversität grundsätzlich zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit und zu einer Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich“, betonte zuletzt Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher. Er setzt daher auf einen Mix aus Maßnahmen, um mehr Mädchen für Technik zu begeistern. So wurde Anfang Oktober die zweite Runde der „MINT-Girls Challenge“ gestartet.

Gesucht werden kreative Mädchen, die die Welt nachhaltig gestalten wollen. Eingereicht werden können kreative und originelle Videos, Texte und Audios, die die Ideen der Teilnehmerinnen illustrieren oder die Mädchen beim Experimentieren oder bei der Ausführung ihrer Ideen zeigen. „Denn von der Zukunft der Energieversorgung bis hin zur Bekämpfung lebensbedrohender Krankheiten – Naturwissenschaften und Technik werden überall ein zentraler Teil der Lösung sein“, heißt es seitens der Initiatoren. „Jede, die sich heute für Naturwissenschaften und Technik interessiert und eine Ausbildung in diese Richtung wählt, ist eine Zukunftsgestalterin und kann ganz konkret daran arbeiten, dass morgen ein kleines bisschen besser sein kann als heute“, ist auch Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria, überzeugt.