Daran hatte SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ludwig nicht einmal im Traum gedacht: dass er bei der Wien-Wahl nicht nur ordentlich zulegt, besser als sein populärer Vorgänger Michael Häupl abschneidet, zum unumschränkten Herrscher in der SPÖ aufrückt und die ÖVP mit einem Rekordvorsprung von mehr als 20 Prozentpunkten auf Platz zwei verweist. Das Wiener Wahlrecht begünstigt den Wahlsieger in einem Ausmaß, dass Ludwig nun zwischen drei Koalitionspartner wählen kann. Während sich Grüne und Neos nahezu anbiedern, geht die türkise ÖVP auf Distanz.
Eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition ist – Stand heute – die wahrscheinlichste Variante, ein Schulterschluss mit der türkisen ÖVP höchst unwahrscheinlich. Die Chancen, dass die SPÖ mit den Neos koaliert, steigt von Stunde zu Stunde.
Welche drei Optionen der rote Wahlsieger Ludwig nun hat:
Was für Rot-Grün spricht? Was dagegen?
Zwei Legislaturperioden hat die SPÖ bereits mit den Grünen koaliert. Warum also keine dritte Periode? Rot-Grün war 2010 und 2015 von Michael Häupl und Maria Vassilakou eingefädelt bzw. neuverhandelt worden. Beide hatten sich im Laufe der Jahre zusammengerauft.
Nun haben Michael Ludwig und Birgit Hebein das Sagen, das Verhältnis ist allerdings unterkühlt. Der grüne Alleingang bei der autofreien City kam einem koalitionären Sündenfall gleich. Der SPÖ-Chef ist ein ausgewiesener Pragmatiker und Großkoalitionär, der um ein gutes Einvernehmen mit der Wirtschaft bemüht ist, um Wien als Wirtschaftsstandort weiterzuentwickeln. Mit ihrer grünen Pop-up-Politik mit Radweg und Gürtel-Pool hat Hebein die bevölkerungsstarken, in der SPÖ politisch einflussreichen Flächenbezirke vor den Kopf gestoßen.
Aus heutiger Sicht scheint eine Fortsetzung von Rot-Grün die wahrscheinlichste Variante zu sein. Um nicht in Opposition gehen zu müssen, werden die Grünen jeden Kompromiss (Lobautunnel) schlucken. Ludwig kann immer mit dem Wechsel zu den Neos drohen.
Rot-Pink: Traut sich Ludwig drüber?
Vor einem Jahr hätte es niemand für möglich gehalten, dass ÖVP und Grüne bald im Bund koalieren würden. Sebastian Kurz und Werner Kogler haben das Experiment gewagt – bei der Wien-Wahl sind weder ÖVP noch Grüne abgestraft worden.
In den nächsten Wochen wird sich weisen, ob auch Michael Ludwig so experimentierfreudig ist. Noch liegt das Endergebnis nicht vor, alles deutet darauf hin, dass Rot-Pink auch mandatsmäßig möglich ist.
In linken SPÖ-Kreisen gelten die Neos nach wie vor als neoliberales Schreckgespenst, die pinke Kommunalpolitik ist alles andere als neoliberal: In gemäßigten Wiener SPÖ-Kreisen verweist man darauf, dass die Neos kein einziges Unternehmen, das im Dunstkreis der Stadt angesiedelt ist, privatisieren wollen.
Bei einem Schulterschluss würde Ludwig den Neos unter Christoph Wiederkehr das Bildungsressort übergeben, die rot-pinke Schnittmenge ist in dem Bereich ist eine große. Knackpunkt der Verhandlungen dürfte die pinke Forderung nach einem Aufbrechen des roten Wiener Parteienfilzes sein. Hier sind aber Kompromisse möglich.
Ja mit den Schwarzen, nein mit den Türkisen?
SPÖ-Parteichef Michael Ludwig würde liebend gern mit der ÖVP koalieren, allerdings nicht mit den Türkisen, sondern den Schwarzen. Ludwig unterhält beste Kontakte zu Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck, dieser war beim Rennen um den Chefsessel in der Bundeswirtschaftskammer Kurz-Kandidat Harald Mahrer unterlegen. Im Wahlkampf ließen sich Ludwig und Ruck zu mehreren politischen Fouls hinreißen. Einmal traf man sich mit EU-Botschafter Martin Selmayer, mit dem sich ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel angelegt hatte, knapp vor der Wahl stellten Ludwig und Ruck neue Initiativen für die Wiener Wirtschaft vor.
Indirekt erteilte ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Wahlsonntag einer Koalition mit der Wiener SPÖ eine deutliche Absage. In der Migrations- wie auch der Wirtschaftspolitik liege man meilenweit auseinander, kleinere Parteien wie die Grünen oder die Neos seien, wie es Kurz formulierte, „billiger zu haben.“ Blümels Lust, vom Finanzministerium auf den Sessel des Vizebürgermeisters zu wechseln, dürfte noch dazu enden wollend sein.