Dass die Wien-Wahl am kommenden Sonntag mit einem klaren Erfolg der SPÖ enden wird, darüber sind sich alle Meinungsforscher einig. Aktuelle Umfragen prognostizieren für die Partei von Bürgermeister Michael Ludwig mehr als 40 Prozent der Stimmen.
Offen ist allerdings die Frage, welche Koalitionsmöglichkeiten danach für Ludwig auf dem Tisch liegen. Experten sehen im Finale des Wahlkampfs neben der Möglichkeit einer Koalition mit der ÖVP oder einer Fortführung des Bündnisses mit denGrünen auch die Neos als Partner der Wiener Stadt-Roten.
Die Institute OGM und Unique Research weisen derzeit für die SPÖ jeweils Werte von 42 Prozent aus. Platz zwei wird laut den
Erhebungen an die ÖVP gehen, die nach guten Werten im Frühling (22
bis 24 Prozent) auf zuletzt rund 19 Prozent in den Umfragen etwas
sank. Dahinter werden die Grünen erwartet, wobei die letzten
Umfragen für die Öko-Partei etwas unterschiedliche Werte aufweisen, nämlich 17 bzw. 15 Prozent.
Die FPÖ lag in den Erhebungen seit dem Frühjahr stets bei rund zehn
Prozent, die Neos pendelten zwischen sechs und sieben Prozent. Eng wird es für das Team Strache, dass mit Werten um vier Prozent um den Einzug in den Landtag bangen muss.
Bachmayer: Rot-Pink auch inhaltlich nicht ausgeschlossen
Durch die zuletzt steigende Zustimmung für die SPÖ halten sowohl OGM-Chef Wolfgang Bachmayer und Peter Hajek (Public Opinion Strategies/Unique Reserach) als auch Politikberater Thomas Hofer auf Nachfrage der APA es für möglich, dass sich eine Mandatsmehrheit der SPÖ mit den Neos ausgehen könnte. Zwar würden Rot und Pink zusammen keine absolute Stimmenmehrheit haben. Da aber das Wiener Wahlrecht große Parteien nach wie vor bei der Mandatsverteilung bevorzugt, scheint eine rot-pinke Mandatsmehrheit recht wahrscheinlich.
"Ich kann mir schon vorstellen, dass die beiden zusammenkommen", schließt Bachmayer eine solche Koalition auch inhaltlich nicht aus. Einerseits wäre es für die SPÖ naturgemäß leichter, mit einem kleinen Partner seine Themen in einer Koalition stärker durchzusetzen. Andererseits könnte Ludwig durchaus Interesse haben "einen starken neuen politischen Akzent zu setzen." Auch Hofer hält es für "absolut im Bereich des Möglichen, dass sich das mandatsmäßig ausgeht" - vor allem wenn Straches Liste den Sprung in den Landtag verpassen sollte.
Strache-Einzug keinesfalls gesichert
Dass das Team Strache die notwendige Fünf-Prozent-Hürde
überspringt ist laut Umfragen keinesfalls gesichert. Man sehe in den
Daten, dass Heinz-Christian Strache "ein bisschen abbaut gegen Ende
des Wahlkampfes", so Hajek. Das liege daran, "dass seine Wähler am
unsichersten sind, ob sie an der Wahl überhaupt teilnehmen". Auch wiederhole der gefallene Vizekanzler in erster Linie stetig seine Erzählung, er habe zwar Fehler gemacht, sei aber der arme Verstoßene und werde wie Phönix aus der Asche steigen - "es kommt nichts Neues nach". Ob er es letztlich schafft oder nicht, sei "nicht messbar".
Die FPÖ wiederum muss laut den Erhebungen mit einem gewaltigen
Minus von rund 20 Prozentpunkten rechnen. Hofer verwies hier auf das "Paradoxon", dass das Wahlergebnis für die FPÖ gar nicht wirklich die erste Priorität sei, sondern vielmehr das Ziel, Strache aus dem Gemeinderat draußen zu halten - was auch das Auftauchen von immer neuen Vorwürfen erkläre. Denn sollte es Strache doch schaffen und sich in Wien einen "Sockel" aufbauen können, dann werde er weiterhin versuchen, seiner Ex-Partei wehzutun, so Hofer.
ÖVP gerät ins Hintertreffen
Die ÖVP geriet nach anfänglich guten Werten, die laut Hajek und
Bachmayer wohl auch dem im Frühjahr noch guten Image der Bundes-ÖVP als Manager der Coronakrise zu verdanken waren, den Sommer über etwas ins Hintertreffen. Die Werte von nun rund 19 Prozent seien erwartbar gewesen, so Hajek.
Dass ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel den Sommer über in seinen Persönlichkeitswerte etwas verloren hatte, sei auch Fehlern zuzurechnen wie seinem Auftritt im U-Ausschuss mit zahlreichen Erinnerungslücken und dem Sager, er habe über keinen Laptop verfügt. "Das hat ihm als Person nicht gut getan", so Hajek.
Themen im Bund als Problem für Grüne
Das Potenzial der Grünen sieht Hofer bei der Wien-Wahl etwas
beschränkt. Das liege einerseits an der etwas mangelnden Strahlkraft von Spitzenkandidatin Birgit Hebein, andererseits an der Themenlage im Bund - Stichwort Flüchtlingslager Moria. Das Mittragen der harten ÖVP Linie beim diesem Thema sei gerade in Wien für manche grüne Zielgruppe schwierig - auch wenn Hebein dagegen aufgetreten ist. Als Erfolg könnten die Grünen jedes Ergebnis werten, das gegen 15 Prozent geht. Sollte die Stadtpartei aber über ihr niedriges Ergebnis von 2015 (11,84 Prozent) nur wenig hinauskommen, dann könnten Diskussionen folgen, auch auf Bundesebene, so die Experten.
Auch bei den Neos ortete Hofer bei Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr - der zwar um Wahlkampf "keine schlechte Figur" gemacht habe - das Problem der zu geringen Strahlkraft und vor allem des mangelnden Bekanntheitsgrades. Helfen könnte laut Hofer den Pinken, dass die ÖVP beim Thema Moria mit ihrer harten Haltung "etwas überzogen" habe. Dies könnte vor allem im Westen Wiens einige ÖVP-Wähler zu der liberalen Konkurrenz treiben.
Keinerlei Chancen auf einen Einzug wird den Kleinparteien - SÖZ,
LINKS und der Bierpartei - attestiert, wobei laut Hofer die Bierpartei "durchaus für eine Überraschung sorgen" und ein bis zwei Prozentpunkte schaffen könnte. Relevant seien die Ergebnisse der Kleinparteien deshalb, weil diese Auswirkungen auf die Mandatsverteilung all jener Parteien haben, die den Sprung in den Gemeinderat schaffen.