Wien ist lebenswert, findet auch die Jugend. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Jugendkulturforschung sind 90 Prozent der 16- bis 29-Jährigen zufrieden mit dem Leben in der Stadt. Und sie wünschen sich weiter ein ruhiges, stabiles Leben von der Politik. „Das Sicherheitsbedürfnis ist durch Corona deutlich gestiegen“, erklärte Instituts-Chef Bernhard Heinzlmaier.
Was mit Corona nicht gestiegen ist, ist das Vertrauen in die Politik. Demnach befürchten viele, dass die Politik die Corona-Epidemie nutzt, um Bürgerrechte einzuschränken. 65 Prozent der Befragten wünschen sich in Zukunft außerdem eine Expertenregierung. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass sie sich bei der Wahl mit keiner der Parteien identifizieren können, und nur mehr das geringste Übel wählen. Keine guten Aussichten. Eine politische Wechselstimmung gibt es bei dieser Wahl aber trotzdem nicht, im Gegenteil.
SPÖ erfährt größten Zuspruch
Die SPÖ dürfte am Sonntag den mit Abstand größten Zuspruch unter jungen Wählerinnen und Wählern erfahren. Unter denen, die sich schon für eine Partei entschieden haben, gaben 45 Prozent an, Rot wählen zu wollen. Das liegt zum einen an ihren Themen, die jungen Menschen wichtig sind. 75 Prozent der 16- bis 29-Jährigen sprechen sich für einen Mindestlohn von 1.700 Euro netto aus, 72 Prozent für die Einführung der 35-Stunden-Woche. Plädiert wird auch für humanitäres Handeln: 68 Prozent sind für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Lager Moria auf Lesbos.
Viel Sympathie für Bürgermeister Ludwig
Nicht zuletzt ist aber auch der amtierende Bürgermeister Michael Ludwig unter allen Spitzenkandidaten am populärsten. Er gilt als sympathisch, glaubwürdig, sozialpolitisch engagiert und er "passt gut zu Wien". Durchsetzungsstärke und Leadership attestieren dem Stadtchef hingegen nur wenige. Auch wird ihm nicht zugetraut, die Interessen der jungen Menschen vertreten zu können. Aber das macht nichts, sagt Heinzlmaier: „In Krisenzeiten will man keine Experimente, sondern jemanden, der schon vorher da war.“
Grüne punkten bei bildungsnahen Schichten
An zweiter Stelle nach der SPÖ rangieren wenig überraschend die Grünen, denen zumindest 19 Prozent der jungen Wienerinnen und Wiener ihre Stimme geben wollen. Immerhin zwei Drittel der Befragten wollen schließlich auch weniger Autoverkehr in der Stadt. Grünen-Chefin Birgit Hebein punktet vor allem bei bildungsnahen Jungwählerinnen und Jungwählern. Ihr wird Glaubwürdigkeit, soziale Sensibilität und Sympathie zugeschrieben. Eine strahlende Führungspersönlichkeit ist sie nach Ansicht der jungen Wienerinnen und Wienern aber keine.
ÖVP-Wahlmotiv: Sebastian Kurz
Immerhin zwölf Prozent wollen der ÖVP ihre Stimme geben – oder besser gesagt Sebastian Kurz. Ausschlaggebendes Wahlmotiv ist für die 16- bis 29-Jährigen nämlich nicht Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel, sondern die türkise Marke und der Parteichef. Blümel wird aber zumindest Selbstdarstellungskompetenz und einigermaßen Führungsstärke konstatiert, seine Schwäche ist die Glaubwürdigkeit.
Wiederkehr für Hälfte unbekannt
Als „wirklich interessante Persönlichkeit“ bezeichnet Heinzlmaier Neos-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr. Über 50 Prozent der Befragten kennen ihn nicht. Aber diejenigen, die ihn kennen, empfinden ihn als sympathisch und kompetent. Er ist glaubwürdig und es wird ihm zugetraut, tatsächlich Politik für junge Menschen zu machen. Immerhin 9 Prozent der jüngeren Semester wollen den Neos am Sonntag ihre Stimme geben. Wiederkehr, so Heinzlmair, habe viel Potential und könnte in ein paar Jahren ein ernsthafter Konkurrent für die Grünen sein. Vor allem weil beide Parteien eher bildungsnahe Wählerinnen und Wähler ansprechen.
FPÖ und Team Strache schaffen Einzug nicht
Geht es nach der Jugend, schaffen weder die FPÖ noch das Team Strache den Einzug ins Rathaus. Die FPÖ liegt mit nur vier Prozent gleichauf mit der Bierpartei – gefolgt vom Team Strache. Strache ist immerhin der einzige Spitzenkandidat, der bei der jungen Wählerschaft noch bekannter ist als Michael Ludwig. Ihm wird Führungsstärke durchaus zugetraut. Wermutstropfen für den Ex-Vizekanzler: Mehr als 80 Prozent der Jung-Wiener haben eine schlechte Meinung von ihm. Weniger Durchsetzungskraft wird hingegen FPÖ-Chef Dominik Nepp attestiert. Nur knapp zehn Prozent der Studienteilnehmer haben überhaupt eine gute Meinung von ihm.
Ambra Schuster