Ausländer sind in Österreich generell nicht wahlberechtigt. Zwar dürfen EU-Bürger die Wiener Bezirksvertretungen wählen, nicht aber den politisch deutlich wichtigeren Gemeinderat. Hier haben drei von zehn Wienerinnen und Wienern kein Stimmrecht, wie von APA und OGM ausgewertete Bevölkerungszahlen der Wiener Landesstatistik zeigen. Bei der Bezirksvertretungswahl sind es 17 Prozent.

Für die erste APA/OGM-Grätzlanalyse wurden diese Daten auf 137 Stadtviertel heruntergerechnet. Diese kleinräumige Auswertung zeigt auch für vermeintliche "Ausländerbezirke" eine überraschend große Bandbreite. So liegt Anteil der über 16-Jährigen ohne Wahlrecht in den gürtelnahen Vierteln des 10. Bezirks zwar über 50 Prozent. Dies ist im Grätzl links und rechts der Gudrunstraße sowie im Favoritner Zentrum zwischen Reumann- und Columbusplatz der Fall. Gleichzeitig liegt mit dem Laaer Berg aber auch eines der Stadtviertel mit dem geringsten Ausländeranteil (14 Prozent) in Favoriten. Und auch im Grätzl rund um die große Per-Albin-Hansson-Siedlung ist der Anteil der nicht Wahlberechtigten mit gut 18 Prozent vergleichsweise gering.

Ein ähnliches Bild auch in Ottakring: Weiter stadtauswärts - am Wilhelminenberg (15 Prozent) und in Sandleiten (23 Prozent) - ist der Anteil nicht Wahlberechtigten niedrig. Entlang des Gürtels - im Brunnenviertel und in Neulerchenfeld - sind es aber annähernd 50 Prozent. Ähnlich hohe Werte gibt es auch rund um die Märzstraße und den Meiselmarkt in Rudolfsheim-Fünfhaus sowie in der Brigittenau.

Wie Johannes Klotz von OGM erklärt, handelt es sich hier oft um dicht bebaute Gründerzeitviertel, die ab den 1970er-Jahren wegen der damals günstigen Mieten großflächig von Gastarbeitern und ihren Familien besiedelt wurden. Im Lauf der Zeit ist der Anteil der nicht wahlberechtigten Bevölkerung in Wien so deutlich gestiegen: 1983 waren es nur sieben Prozent der Bevölkerung, 2002 waren es 16 und aktuell sind schon 30 Prozent der Wienerinnen und Wiener vom Stimmrecht ausgeschlossen.

Einen Grund für den steigenden Ausländeranteil sieht Klotz auch darin, dass es durch den EU-Beitritt und die Osterweiterung nur noch wenige Anreize für Zuwanderer gibt, die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Dies zeigt etwa auch die Seestadt Aspern, das große Neubauviertel in Wien-Donaustadt. Dort haben vier von zehn Einwohnern bei der Gemeinderatswahl kein Stimmrecht. Größte Zuwanderergruppe sind Polen. Sie dürfen, wie alle EU-Bürger, zwar die Bezirksvertretung wählen, nicht aber den Gemeinderat. Bei der Bezirksvertretungswahl sinkt der Anteil der nicht Wahlberechtigten in der Seestadt damit von 43 auf 21 Prozent.

Für die betroffenen Bezirke bedeutet der Ausschluss weiter Teile der Bevölkerung vom Wahlrecht deutlich weniger politisches Gewicht. Denn die Zahl der Abgeordneten, mit denen ein Bezirk im Gemeinderat vertreten ist, richtet sich nicht nach den Einwohnern, sondern nach den Staatsbürgern. Damit stehen Döbling und der Brigittenau jeweils vier Mandate zu, obwohl die Brigittenau 14.000 Einwohner mehr zählt. Unterrepräsentiert sind aber auch ganze Bevölkerungsgruppen, wie OGM-Experte Klotz erläutert. Denn während nur acht Prozent der Wiener Pensionisten nicht wahlberechtigt sind, steigt der Ausländeranteil unter den aktiv Erwerbstätigen massiv an: Bei der Gemeinderatswahl im Oktober ist jeder vierte Selbstständige und jeder zweite in Wien lebende Arbeiter nicht stimmberechtigt.