Michael Ludwig wähnt Wien in „sicheren“ (nämlich seinen) Händen. Finanzminister Gernot Blümel krempelt sich die Ärmel hoch. Und Birgit Hebein lehnt auf den Wahlplakaten der Grünen neben Gesundheitsminister Rudolf Anschober. In Wien ist nicht zu übersehen: Der Intensivwahlkampf für die Wien-Wahl am 11. Oktober hat begonnen.

Die Flächen, an denen die Wahlplakate angebracht sind, sorgen seit Jahren für Diskussion. Denn bei Außenwerbung ist das Unternehmen „Gewista“ in Wien der Platzhirsch. Das wurde zwar vor dreißig Jahren privatisiert. Rund zehn Prozent gehören aber einem Verein, der der Wiener SPÖ nahesteht. Der Wahlkampf der anderen finanziere so indirekt die SPÖ, kritisiert die Opposition seit Jahren.

Rote Spuren

Seit 1945 wird Wien durchgängig von einem roten Bürgermeister regiert. Das hat Spuren hinterlassen. Sichtbare, wie Gratis-Kindergarten und kostenlose Ganztagsschule, sozialer Wohnbau, und eine Pflegegarantie. Aber auch unsichtbare, wie verworrene Firmenbeteiligungen, Vereinskonstrukte und personelle Verflechtungen.
„In der SPÖ fehlt das Bewusstsein, dass Stadt und Partei nicht das gleiche sind“, sagt Neos-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr.

Das zeigte sich zuletzt, als die Stadt Wahlkartenanträge mit einem Begleitbrief verschickte, die das Foto von Bürgermeister Michael Ludwig zierte. Das gleiche Foto übrigens, das auch die Grußworte zum Gastro-Gutschein schmückte, den jeder Wiener Haushalt vor dem Sommer geschenkt bekam. Als Fördermaßnahme für die krisengebeutelte Gastronomie und die Beliebtheit des Bürgermeisters gleichermaßen.
Den aktuellen Vertrauensindex aller Wiener Politiker führt Ludwig mit Abstand an. Er wird auch nach der Wahl Bürgermeister bleiben. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die SPÖ ihre Macht in der Stadt bei dieser Wahl noch ausbauen wird.

Absolute Mehrheit

Bundeskanzler Sebastian Kurz gab beim ÖVP-Wahlkampfauftakt am Donnerstag als Ziel vor: „Wir müssen eine absolute Mehrheit der SPÖ in Wien verhindern.“ Das ist mehr als ein türkiser Wahlkampfspin: Auch in der SPÖ rechnen einige damit, dass es sich ausgehen könnte.

Das Wien-Ergebnis wird jedenfalls das Machtgefüge innerhalb der Bundes-SPÖ verschieben. Ein gewichtiges Wort hatte der Wiener Bürgermeister schon immer in der SPÖ. Doch in den letzten Jahren bildeten sich in den Parteigremien wiederholt Mehrheiten gegen Wien. Als Parteivorsitzenden hätte sich die Wiener Landesgruppe im Jahr 2016 Gerhard Zeiler gewünscht, es wurde Christian Kern. Auch dessen Nachfolgerin, Pamela Rendi-Wagner, wurde gegen den Willen Wiens durchgesetzt. „Gemessen an der faktischen Macht, die die Wiener SPÖ durch ihre Mitgliederzahl und ihr Wahlergebnis hat, gab es da eine Irritation“, sagt der Politikberater Thomas Hofer. Diese Wahl soll das wieder geraderücken, hofft man in Wien.

An Gewicht gewonnen haben zuletzt die Landeshauptmänner Hans-Peter Doskozil, der im Jänner im Burgenland eine absolute Mehrheit holte, und Peter Kaiser, dem das in Kärnten 2018 beinahe auch gelang. Es käme in der SPÖ nicht nur auf die Mitgliederstärke an, sondern auf die schlüssige Argumentation von Positionen, heißt es aus der Kärntner SPÖ.

Diskussionsbedarf gibt es durchaus: Für eine Arbeitszeitverkürzung, wie sie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert, setzt Ludwig sich nicht sonderlich vehement ein. Dafür will er Flüchtlingskinder aus Griechenland nach Wien holen. Hans-Peter Doskozil sieht darin ein „rechtsstaatliches Problem“. Nach der Wahl will Ludwig sich daher um Positionspolitik kümmern, heißt es. In bundesweiten Umfragen ist die ÖVP doppelt so stark wie die SPÖ.

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