Beate Meinl-Reisinger hat die NEOS endgültig etabliert. Wer bei fünf Bundeswahlen in Serie Mandate erringt, darf sich guten Gewissens zum politischen Establishment des Landes zählen. Als Spitzenkandidatin hat die 41-Jährige keinen kleinen Anteil an der Entwicklung.
Die vormalige Mitarbeiterin der ÖVP-Politiker Othmar Karas und Christine Marek war neben Matthias Strolz treibende Kraft, als es darum ging, einer neuen liberalen Partei ohne Ballast einer FPÖ-Vergangenheit in Österreich Leben einzuhauchen. Als ihr deutlich sprunghafterer Kompagnon nach der vergangenen Wahl sein Heil außerhalb der Politik suchte, zögerte sie nicht einzuspringen. Davor hatte Meinl-Reisinger bei einem Ausflug in die Landespolitik die NEOS auch zur Wiener Landtagspartei gemacht, die sich unter ihrer Führung rasch einen guten Ruf als für Rot-Grün lästige Kontrollorin der Stadtregierung erarbeitete.
Engagierter Wahlkampf
Dass Meinl-Reisinger einen derart engagierten Wahlkampf aufs Parkett legte, ist keine Selbstverständlichkeit. Erst im Frühling wurde die Wienerin mit ausgeprägter Neigung zum Salzkammergut zum dritten Mal Mutter einer Tochter. Ihr Mann, ein Richter, übernahm den Hauptteil der häuslichen Arbeit.
Als "Löwin" inszenierte ihre Partei ihre Vorsitzende, wobei mehr die Lautstärke als die Trägheit des "Königs der Tiere" zur NEOS-Chefin passt. Denn zu Meinl-Reisingers Naturell zählt die Angriffslust, die in der Vergangenheit auch den ein oder anderen Parteifreund und Mitarbeiter forderte. An Meinl-Reisinger ist schon so mancher Angriff zerschellt, selbst ein Blitz, der sie beim Skifahren traf, konnte sie nicht umhauen.
Auf den Mund gefallen ist die studierte Juristin soundso nicht. Sie mag nicht die beste Rhetorikerin des Nationalrats sein, aber sie hat Feuer und kann Leute auch mitreißen, wenn ein Vortrag einmal eher erratisch wirkt. Dazu kommt, dass sie viel und gerne lacht, was noch kaum jemandem in der Politik wie im sonstigen Leben geschadet hätte.
Bildungspolitik
Inhaltlich begann ihre parlamentarische Tätigkeit als Kulturexpertin günstigerweise in der Hochblüte des Burgtheater-Skandals, zuletzt erhob sie die Bildungspolitik zu ihrer persönlichen Priorität. Europa gehört soundso zum Pflichtprogramm jedes NEOS-Mandatars. Wie Vorgänger Strolz zählt sie nicht zum allzu wirtschaftsliberalen Flügel der Partei. Radikale Positionen in der Sozialpolitik sind nicht ihres, wohl nicht zufällig war sie bei der Volkspartei für zwei Vertreter des Arbeitnehmer-Flügels aktiv.
Dass Meinl-Reisinger, die schon im Kabinett von Staatssekretärin Marek diente, ein Ministeramt schultern könnte, bezweifelt kaum jemand. Wäre es sich ausgegangen, wäre unbeschadet allen Wahlkampf-Geplänkels Türkis-Pink rasch festgestanden. Spätestens mit ihrem Nein zum Misstrauensantrag gegen die Übergangsregierung Kurz hat Meinl-Reisinger klar gemacht, dass die NEOS staatsmännisch in Richtung Regierung streben. Ob sich die Chance ergibt, werden das endgültige Ergebnis und Sebastian Kurz entscheiden.