Manchmal muss man nur warten können. Werner Kogler, die ewige Nummer zwei bis drei der Partei, hat die Grünen in seinem politischen Spätwerk von der außerparlamentarischen Opposition zur potenziellen Regierungskraft geformt. Bei allem Einsatz: ohne die Hilfe von Heinz-Christian Strache und Greta Thunberg wäre solch eine triumphale Rückkehr ins Hohe Haus kaum möglich gewesen.

An manchen Tagen wird selbst ein pragmatischer Realist wie Kogler seine Augen reiben angesichts dessen, was da in den vergangenen Monaten geschehen ist. Erst vor zwei Jahren waren die Grünen nach Jahrzehnten der Selbstherrlichkeit vom Wähler ins Abseits gestoßen werden. Die Partei war finanziell und politisch am Abgrund, der gutmütige Kogler opferte sich, verzichtete auf ein Gehalt und klaubte geduldig die Scherben auf.

Das bekannteste Pferd

Die EU-Wahl schien der Parteispitze eine gute Übung zu sein, um zu zeigen, dass man auch bundespolitisch wieder da ist. Darum schickte man mit Kogler das bekannteste Pferd aus dem Stall ins Rennen. Dass das so flott sein würde, war nicht zu erwarten, doch der kantige Steirer führte tatsächlich wieder eine dreiköpfige Delegation nach Brüssel.

Der nächste Glücksfall lag in Ibiza - der dortige FPÖ-Skandal schwemmte die türkis-blaue Regierung weg und ebnete den Grünen ein Comeback unter äußerst günstigen Rahmenbedingungen, das frühestens in drei Jahren erhofft worden war. Dass Kogler dafür selbst in den Wahlkampf steigen musste, war eigentlich klar, da die der Partei von ihm verordnete Verjüngung noch keine breit bekannten Persönlichkeiten hervorgebracht hatte.

Mit grüner Brille

Ein bisschen unangenehm war es dem grundehrlichen Steirer dann aber schon, dass er dem Ruf seiner Vorzugsstimmen-Wähler nach Brüssel und Straßburg nicht folgen konnte. Ohnehin war es für ihn neu, solch ein erfolgreicher Frontmann zu sein. Bei seinem ersten eher unwilligen Versuch als Spitzenkandidat bei der steirischen Landtagswahl 2010 hatte er nicht reüssieren können.

In der Kampagne für das Hohe Haus machte Kogler nichts anderes als in jener für das EU-Parlament. Bescheidenes Auftreten stets mit grüner Brille am Kopf, Schnörkellosigkeit und Fokussierung auf ein Thema, nämlich den Klimawandel. Grüne Besserwisserei gibt es bei Kogler nicht, würde zum lebensfrohen Volkswirt auch nicht passen.

Der Weg ins Parlament wird für den 57-Jährigen keiner in unbekannte Gefilde sein. Schon 1994 heuerte er, der mit 20 die Alternative Liste Graz mitgegründet hatte, im Klub der Grünen als Referent an, 1999 wurde er zum Abgeordneten und hatte sein Mandat ohne Unterbrechung bis zum unfreiwilligen Auszug 2017. Kogler hatte zwei Spezialitäten, einerseits U-Ausschüsse, wobei jener zur Hypo ihm das meiste Prestige brachte, und andererseits ausschweifende, humorige, aber trotzdem manchmal ungelenke Reden. Ins parlamentarische Geschichtsbuch schrieb er sich, als er im Budgetausschuss zu einer 12 Stunden und 42 Minuten dauernde Filibusterrede gegen den Budgetvoranschlag der Regierung antrat, die er mit den Worten "Das ist eigentlich schon alles, was ich sagen wollte" beendete.

Regierungsbildung

Ausdauer wird Kogler, der mit der Chefin der Grünen Wirtschaft liiert ist, auch in den anstehenden Verhandlungen zur Regierungsbildung brauchen. Ihm selbst traut man durchaus zu, einen für alle Seiten gesichtswahrenden Pakt mit ÖVP und allenfalls NEOS zustande zu bringen. Doch hinter ihm steht auch ein weit links angesiedelter Flügel, vor allem in Wien, der sicherheitshalber im Wahlkampf möglichst tot geschwiegen wurde, in einer einschlägigen Koalition aber wohl ständiger Gefahrenherd wäre.

Kogler wird wissen müssen, was er seiner eigenen Basis zumuten kann und will. Kommt letztlich die Opposition raus, muss es sein Schaden nicht sein. Mehr Erfahrung mit dieser Rolle hat im neuen Hohen Haus nämlich niemand.