Die Bezeichnung „Trümmermann“ lässt Werner Kogler kurz das Gesicht verziehen, während er in die vorbeiziehende Landschaft blickt. Und trotzdem passt sie für den Mann, der jene Aufgabe übernommen hat, um die sich bei den Grünen niemand gerissen hat – den Wiederaufbau. Kogler im Gespräch im "Wahlcast", dem Podcast der Kleinen Zeitung.
Den „Betriebsunfall“, wie der 57-Jährige den Rauswurf der Grünen aus dem Parlament nach dem desaströsen Ergebnis bei der Nationalratswahl nennt, habe er schon wenige Tage vor der Wahl kommen sehen und seine Parteikollegen gewarnt. Vergeblich. Statt den Überlebenskampf auszurufen, wurde Zuversicht demonstriert. Das mussten die Grünen mit ihrem Platz im Nationalrat bezahlen. Fördergelder verschwanden, die hohen Schulden aus dem Präsidentschaftswahlkampf blieben.
Auf Drängen der Kollegen ließ Kogler die zweite Reihe hinter sich und übernahm die am Boden liegende Partei. Er musste einen Finanzplan entwickeln, entmutigte Abgeordnete und entlassene Mitarbeiter trösten und ein Kernteam zum Weitermachen animieren. In der Parteizentrale, aus der die Grünen 2017 ausziehen mussten, hatte man Kogler aber ohnehin selten angetroffen, wie er während der Fahrt erzählt. „Ich sitze lieber in einem Gemeinschaftsbüro oder im Kaffeehaus – das ist mein Arbeitsplatz.“
Folgsame Parteikollegen dank "Betriebsunfall"
Dass die verpatzte Nationalratswahl den Grünen nach wie vor tief in den Knochen sitzt, erleichtert Koglers Arbeit. Denn der Widerstand gegen seine Neuausrichtung der als abgehoben verschrienen Partei bleibt aus. Sogar „schwierigere“ Funktionäre fügten sich den Plänen des hemdsärmeligen Urgesteins. Zu groß ist die Dankbarkeit, dass er sich diese Aufgabe angetan hat. Bereut hat er diesen Schritt nie, wie der Umweltökonom und Volkswirt bei der Zugfahrt erzählt. Den Beruf des Politikers habe er sich nie ausgesucht. „Aber dann habe ich Feuer gefangen – und das ist bis heute da. Wenn der Funke einmal nicht mehr überspringt, sollte man sofort aufhören.“
Ans Aufhören ist derzeit aber nicht zu denken. Umfragen bescheinigen den Grünen nicht nur den Wiedereinzug in den Nationalrat, sondern auch ein gutes Ergebnis. Dass Ökothemen im Wahlkampf überraschend Hochkultur haben, kommt Kogler entgegen. Während andere Partei krampfhaft nach einer Linie suchen, kann der Steirer auf grüne Forderungen verweisen, die seit Jahren bekannt sind.
Glawischnig bei Novomatic: "Da bin ich entspannt"
Für weniger Begeisterung dürfte hingegen so manches Gesicht aus der Vergangenheit sorgen. Doch Kogler, der in einer Lebensgemeinschaft lebt, ist nicht nachtragend, dem Ex-Parteikollegen Peter Pilz wirft er öffentlich ebenso wenig Steine nach wie Vorgängerin Eva Glawischnig. Würde er ihr auf der Straße begegnen, würde er „natürlich“ mit ihr reden, sagt er. Von ihrem Wechsel zu Novomatic habe er in einem Zug erfahren. „Ich war am Weg in ihre Heimat – nach Kärnten. Trotz schlechter Verbindung haben wir dann vereinbart, dass sie ihre Parteimitgliedschaft zurücklegt.“ Glawischnig wolle bei Novomatic etwas bewegen „und vielleicht glaubt sie das wirklich. Ich bin da aber relativ entspannt“, sagt Kogler heute.
Entspannung findet er auch privat im Zug. Seinen Urlaub bestreitet Kogler gern via Schiene, besonders Hafenstädte haben es ihm angetan. „Das geht viel leichter, als man glaubt. Und ich habe ein Faible für Hotels am Bahnhof, weil ich dann gleich weiterfahren kann. Und das sind oft wilde Absteigen.“
"Im Nationalrat kenne ich mich ja aus"
Eigentlich hätte Koglers nächste Station EU-Parlament heißen sollen. Doch der Versuch, neue Gesichter für die Parteiführung aufzubauen, scheiterte an der Neuwahl. Wieder musste Kogler anpacken – und den Umzug nach Brüssel absagen. „Natürlich hat man sich gedanklich schon umgestellt und ich habe mich auch gefreut darauf. Aber bei der EU-Wahl kamen schon die ersten Zurufe, dass ich den Spitzenkandidaten machen soll.“ Jetzt sei er damit zufrieden. „Im Nationalrat kenne ich mich ja aus.“
Dort hat der Grüne jahrelange Erfahrung, ist bekannt für wortgewaltige Reden, die kein Ende kennen. Ob er privat ein mühsamer Gesprächspartner ist? „Vielleicht schon, aber weil ich da eher zu wenig rede. Da fragen sich die Leute, ob ich überhaupt geistig anwesend bin.“ Zu Schulzeiten hat ihn das Schwätzen nicht in Bedrängnis gebracht – sehr wohl aber das Zuspätkommen. Dafür hagelte es Strafarbeiten. „Ich habe mich damals einfach nur für Partys und Fußball interessiert.“ Gut ausgegangen ist es trotzdem, „sogar eine Auszeichnung haben sie mir bei der Matura umgehängt – das war mir fast ein bisschen peinlich“.