Dass es mitten im Sommergespräch zu regnen begann und die beiden Gesprächspartner nach drinnen flüchten mussten, brachte am Montagabend weder Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger noch ihren ORF-Interviewer Tobias Pötzelsberger aus dem Konzept. Ohnehin gab es von Meinl-Reisinger Kalt-Warm, zumindest für die ÖVP. Die SPÖ hingegen kam an diesem Politik-Abend überhaupt nicht vor.
Doch der Reihe nach: Ob es eigentlich "das oder die" Neos heiße, ob das Einzahl oder Mehrzahl sei, wollte Pötzelsberger zu Beginn wissen. "Es heißt Neos ohne Artikel", erklärte die Parteichefin. Das Wort sei die Abkürzung für "neue Österreicher", so etwas nenne man "ein Kofferwort", gab sie bekannt.
Umweltsteuern, dafür weniger Mehrwertsteuer
Dann ging es lange um Umwelt- und Klimapolitik. Meinl-Reisinger warf der alten Regierung unter Sebastian Kurz Untätigkeit vor, außer Überschriften habe es nichts gegeben, nun drohten hohe Strafzahlungen wegen Überschreitung vorgegebener Werte. Anders die Neos: Diese hätten ein umfassendes und durchgerechnetes Konzept, nämlich die "aufkommensneutrale" Besteuerung von CO2.
Dies würde zwar Benzin, Diesel und später (in einem Stufenplan) auch Heizöl verteuern, doch im Gegenzug sollten die Lohn-, Einkommens- und Mehrwertsteuer sinken. Dadurch könne man auch die Verteuerung wichtiger Lebensbereiche sozial abfedern. Meinl-Reisinger sieht genug Geld hereinkommen, um auch noch die Bahn-Infrastruktur kräftig auszubauen, denn "man kann den Leuten nicht sagen, sie sollen umsteigen, wenn es nichts zum Umsteigen gibt".
Freiheit und Verbote
Warum man dann die Neos wählen solle und nicht die Grünen? Nun, die Neos würden sich eben um Umwelt und Wirtschaft und dazu auch noch um die Bildung kümmern, meinte Meinl-Reisinger etwas unbestimmt. Sie bekannte sich aber partiell zur Notwendigkeit von Verboten, und zwar dort, wo die Freiheit des einen die Freiheit des anderen beeinträchtige. Deshalb habe man etwa für das Rauchverbot gestimmt.
"Neigungsgruppe Rechtsextremismus"
Dann packte Meinl-Reisinger ihre heftigen Giftpfeile gegen die ÖVP aus, die ja bei der Wahl strategisch der wichtigste Rivale ist. Ihre These: Unter der Kurz-Regierung habe sich gar nichts gebessert, weder die Wartezeiten in den Ambulanzen noch beispielsweise die Bürokratie: "Es hat sich nichts verändert, es war Show, Show Show!", so die Oppositionspolitikerin ganz theatralisch. Stattdessen sei aber "die Neigungsgruppe Rechtsextremismus und Korruption aktiv gewesen". Diese Abrechnung gipfelte in Meinl-Reisingers Warnung: "Wer Kurz wählt, muss sofort wieder mit Türkis-Blau rechnen."
Sie selbst kann sich dennoch eine Regierung mit der ÖVP vorstellen. Wenn es sich rechnerisch ausgehe, wolle man nach der Wahl mit der ÖVP reden, aber klarerweise nur über die Neos-Inhalte und Konzepte. In der Opposition sei man zwar "wirksam" gewesen, nun wolle man aber "endlich unser Programm verwirklichen, etwa echte Generationenfairness".
Meinl-Reisingers konstruktive Härte
Zu glauben, die Neos hätten schon als Vorleistung für das künftige Regieren mit der ÖVP den Misstrauensantrag gegen Kurz als einzige Oppositionspartei abgelehnt - das sei "komplett blödsinnig", gab sich die Parteichefin aggressiv. Man sei "die schärfste Opposition" gewesen, aber eben mit "konstruktiver Härte", denn: "Prinzipiell dagegen sein, weil etwas vom anderen kommt, das finde ich kindisch. Das ist nicht mein Politikverständnis."
Der Neos-Quereinsteiger Helmut Brandstätter sei "ein glühender Europäer, ein Verfechter von Presse- und Meinungsfreiheit und auch ein erfahrener Unternehmer", lobte sie ihre neue Nummer zwei. Wer den Neos Geld spende, bekomme nur "einen Dankesbrief", sagte Meinl-Reisinger zum Reizthema Parteispenden. Österreich habe aus Ibiza "gar nichts" gelernt, das neue Parteispendengesetz sei zahnlose "Augenauswischerei".
Neue ORF-Gebühren
Aus einigen Word-Raps kamen noch Impulse, die aufhorchen lassen. Etwa die Frage nach den Kreuzen im Klassenzimmer: "Das ist eine Entscheidung der Klassen- oder Schulgemeinschaft", sagt die Neos-Chefin. Oder die Frage nach ORF-Gebühren: Der ORF solle zwar weiterhin gebühren- und nicht steuerfinanziert sein, doch die "ans Gerät gebundenen Gebühren" seien technisch überholt - da müsse man etwas Neues finden.