In Klagenfurt, in einem eher schmucklosen Gewerbegebiet im Süden der Stadt, ist das Unwahrscheinliche dann doch noch passiert: Matthias Strolz, der dauervorlaute Energieriegel dieses Wahlkampfs, wird zum Schweigen gebracht. Mehr noch: Der Neos-Chef mit dem erklärten Steckenpferd Bildungspolitik gerät an die Grenzen seines Wissens.
Die grellpinke Wahlkampftruppe ist an diesem Tag zu Gast bei der Firma PCS. Mit 85 Mitarbeitern segelt die Hightech-Schmiede für Krankenhaus-Software auf Erfolgskurs. Beim Small Talk im Atrium des Hauses erwähnt Firmenchef Alfred Amann den weltberühmten Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick – der war nämlich Amanns Großneffe. Und plötzlich steht Bildungsexperte Strolz auf dem Prüfstand.

„Wie lauten die drei Kommunikationsregeln von Watzlawick?“, fragt Amann. Strolz kramt im Gedächtnis, kann nur eine der drei Regeln nennen, dann ist er still. Kaum zu glauben. Doch es wäre nicht Strolz, hätte er nicht trotzdem noch einen Gag im Talon. Er sagt: „Die erste Regel lautet ,Man kann nicht nicht kommunizieren’. Das habe ich damals dem Sebastian Kurz beigebracht.“

Tatsächlich besuchte nämlich der heutige ÖVP-Chef einst Rhetorikseminare bei Strolz. „Höchstens zwei oder drei Kurse“, wiegelt Kurz ab, wenn man ihn danach fragt. Strolz hingegen brüstet sich umso detailreicher mit seinem prominenten Zögling und Wahlkampf-Rivalen. Zu Kurz habe er damals gesagt: „Du bist ein talentierter Bursche. Aber sei doch ein bisserl mehr Cowboy!“

In Klagenfurt fegt der quirlige Neos-Gründer fröhlich durch die Software-Firma und hält sich eisern an Watzlawicks erste Regel. Er wirbelt von Büro zu Büro, und es stört ihn nicht im Geringsten, dass er hinter jeder Tür in eine konzentrierte Stille platzt, wenn er die jungen Programmierer hinter ihren Bildschirmen aufscheucht. „Hallo, servus! Hi, ich bin der Matthias! Und ihr seids alle fest am Programmieren? Ich bin da voller Respekt!“ Kurze Pause. Die meist bärtigen Männer lächeln verlegen. „Na gut – dann heiter weiter“, witzelt Strolz. Und schon ist er wieder draußen, während der Kärntner Neos-Spitzenkandidat Christoph Haselmayer in gespieltem Schreck das Gesicht verzieht und die Programmierer scherzend anfleht: „Bitt’ schön, lassts eam nur nit zuwigreifen ...!“

Strolz hat unterdessen den Firmenchef in der Mangel. Er preist maschinengewehrartig das überragende Neos-Bildungsprogramm. Mit Begriffen wie „Chancenplan IT“, „Chancenplan Bildung“, und natürlich dem „Chancenkonto für alle“ textet er Amann schonungslos zu. „Einverstanden?“, fragt Strolz schließlich. „Ja, super“, sagt Amann, der vom Redeschwall des Neos-Chefs noch sichtlich mitgenommen ist.
Gegen Strolz, den alemannische Zappelphilipp unter den Spitzenkandidaten, ist in puncto Begeisterungsfähigkeit kein Kraut gewachsen. Beim Mittagessen in der Klagenfurter Osteria dal Conte erzählt er aus seiner Kindheit, während er gleichzeitig via Handy die nächste Plakatserie freigibt. Man habe nämlich „einen kritischen Drucktermin“.

Das hohe Kontakt- und Mitteilungsbedürfnis des Vorarlbergers hat womöglich mit seiner Herkunft aus der Einschicht zu tun. Geboren wurde er als Bergbauernbub in Wald am Arlberg im Klostertal – das ist einer der schönsten, aber auch der hintersten Winkel unseres Landes. Doch weltabgewandt war man zu Hause nicht: Im Sommer gab es Urlaubsgäste am Hof, und auf dem Fernseher standen eine Statue von John F. Kennedy und ein Mini-Eiffelturm.
Matthias, das jüngste der drei Kinder, tastete sich langsam vom Berg ins Tal: Mit 10 spielte er Klarinette bei der Ortsmusik, mit 13 kam er als Ministrant von Innerwald nach Außerwald, mit 17 vom Oberland ins Unterland.

Es folgte die Strolz’sche Vermessung der Welt: Schüler in Bregenz, Student in Innsbruck, Chefredakteur der Fakultätszeitung, Auslandsjahr in Dublin. Sein „größter Crashkurs“ war der Vorsitz an der Hochschülerschaft der Innsbrucker Uni.
Geradezu zwangsläufig schlitterte der Aufmüpfige in Konflikte mit der ÖVP. Strolz ganz stolz: „Die war bei uns damals alles andere als eine Untergrundbewegung.“ Jugendliche in Sakkos seien ihm suspekt gewesen: „Ich habe halt länger pubertiert als der Kurz.“
Neos-Financier Hans-Peter Haselsteiner ist für Strolz ein „väterlicher Förderer“, aber auch diese Achse lief nicht immer konfliktfrei. Beim Wort „liberal“ war Strolz zunächst skeptisch: „Ich wollte kein Etikett aus dem 20. Jahrhundert.“ Er glaube auch nicht ans Links-rechts-Schema, sagt er und quasselt sofort wieder drauflos mit Begriffen wie „value-based organisation building“ und Sätzen wie „Wir sind eine Mitte-Mitte-Bewegung.“ Dass es gelungen sei, Irmgard Griss in den bunten Haufen einzubeziehen, bezeichnet er recht freimütig als „eine Integrationsleistung“.

Überhaupt seien die Neos keine Partei, sondern eine „soziale Integrationsveranstaltung“. Mittelfristig wolle man auf bis zu 20 Prozent Stimmenanteil wachsen. Es schwingt Genugtuung mit über das viele, das bisher gelungen ist. Immerhin darf Strolz einmal jährlich am „Leader’s Lunch“ der europäischen liberalen Bewegungen teilnehmen. Dort sitzt er mit sieben Premierministern am Tisch, mit Regierungschefs aus Ländern wie Belgien, Estland oder Dänemark. Dort sieht er, was möglich ist.

Doch vorerst muss Strolz noch eher kleinräumig denken. In der Klagenfurter Innenstadt steht er am Neos-Wahlwerbestand und spricht Passanten an: „Grüß Gott, hamma eine Chance bei Ihnen?“ Nein, es handelt sich um Touristen aus Deutschland. Pech. Einer seiner Mitstreiter reagiert schlagfertig: „Das hier ist unser österreichischer Christian Lindner (Chef der deutschen FDP, Anm.)!“
Dass er in den Fernsehdiskussionen oft verbal kräftig aufdreht, kommt auch nicht überall gut an. „Ich habe Sie gestern gesehen, das war unmanierlich“ tadelt ein älterer Herr. „Na ja, ein bisserl einheizen muss man denen schon“, entgegnet Strolz. Inzwischen kennt er nämlich auch die anderen Watzlawick-Regeln: Der Absender ist verantwortlich dafür, wie Kommunikation beim Empfänger ankommt. Und jede Vermittlung von Inhalten vermittelt auch Emotionen.