Wer mit 20 kein Kommunist ist, habe kein Herz, wer es mit 40 noch immer ist, keinen Verstand, soll der legendäre britische Premier Winston Churchill gesagt haben. Die Nationalratswahl 2024 zeichnet ein gegensätzliches Bild. Laut der Foresight-Wahlbefragung ist die FPÖ auch bei den Jungen mit rund 27 Prozent die stärkste Kraft, dahinter folgt die ÖVP. Nur in der Altersgruppe 35 bis 59 konnten die Blauen noch stärker reüssieren.

Ein rein österreichisches Phänomen ist das nicht: So vermochte die rechte AfD bei den jüngsten Landtagswahlen in Deutschland gerade unter jungen Wählerinnen und Wählern besonders stark zu punkten.

Junge Generation „hochgradig sicherheitsorientiert“

Den Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier scheint das nicht sonderlich zu überraschen. Seine Erklärung für den hohen Zuspruch: Die junge Generation ist „postideologisch“. Kampagnisierende Botschaften wie jene, dass ein Wahlsieg der Rechten die Demokratie zerstören würde, würden kaum mehr verfangen. Stattdessen sei die Generation „hochgradig sicherheitsorientiert“, und es habe sich das Gefühl eingestellt, dass die Traditionsparteien, allen voran ÖVP und SPÖ, ihnen „einen vernünftigen Start ins Leben nicht mehr garantieren können“, glaubt Heinzlmaier. Er nennt an erster Stelle den Wunsch nach leistbarem Wohnen, das für viele junge Leute heutzutage ein echtes Problem darstelle. Aber auch das Migrationsthema sei für die Jungen relevant. Anders als die ältere Generation seien die Jungen mit den aus der Zuwanderung resultierenden Problemen bereits in der Schule „stark konfrontiert“ oder würden Erfahrungen mit „Problemgruppen“ unter den Migranten im öffentlichen Raum machen. Heinzlmaier: „Ganz banal geht es darum: Wem gehört der Park, wem gehört der Sportplatz, wem die Schule? Kann man sich da als nichtmigrantischer junger Mensch noch frei bewegen?“

Der Jugendforscher ortet „einen kulturell symbolischen Machtkampf“ im öffentlichen Raum, „und der trifft die jungen Leute empfindlich“. Das habe sich auch bei den jüngsten Wahlen in Deutschland gezeigt. „Im Kern steht, dass sich die FPÖ auf eine Art und Weise mit den großen Problemen unserer Tage befasst, die bei den Jungen besser ankommt.“

FPÖ keine „eingefleischte TikTok-Partei“

Ein wesentlicher Faktor für den hohen Zuspruch der unter 30-Jährigen zur FPÖ sei, dass die Jüngeren sich kaum noch über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder klassische Tageszeitungen informieren würden. Vielmehr seien sie in den sozialen Medien unterwegs. „Dort, wo die FPÖ und ihre Kommunikation stark präsent sind, sind auch die jungen Leute“, meint Heinzlmaier.

Auf soziale Medien hat sich die Publizistin Ingrid Brodnig spezialisiert. „Eigentlich spricht die FPÖ die Jugend gar nicht so fokussiert an“, sagt Brodnig. Dafür nimmt die Partei für ihre Online-Kommunikation reichlich Geld in die Hand: 800.000 Euro hätten die Freiheitlichen etwa seit der EU-Wahl 2019 in das Facebook- und Instagram-Profil von Parteichef Herbert Kickl gesteckt, mehr als das doppelt so viel wie die ÖVP für die Kanäle ihres Parteichefs Karl Nehammer ausgegeben hat. Man merke aber, dass Facebook im Zentrum der Aufmerksamkeit stünde, wo sich eher ältere Generationen tummeln. Die Jungen erreichen die Parteien vor allem via Instagram und TikTok. „Die FPÖ ist bisher keine eingefleischte TikTok-Partei und trotzdem von den Zahlen her vorne“, sagt Brodnig. Denn trotz der im Vergleich mit den anderen Parteien großen Reichweite, seien die Beiträge nicht optimal auf die Kurzvideoplattform zugeschnitten. „Man stelle sich vor, was die FPÖ alles erreichen könnte, wenn sie dieses Potenzial ausschöpft.“

Gesellschaftliches Klima färbt auf die Jungen ab

Gleichzeitig profitierte Österreichs am weitesten rechts stehende Parlamentspartei aber auch von „einer rechten Blase auf TikTok, die der FPÖ zujubelt, die postet, wie sie die FPÖ wählt“, sagt Brodnig. Auch würden zahlreiche FPÖ-Politiker aus der zweiten und dritten Reihe die Kurzvideo-Plattform fleißig bespielen.

Von der aktuellen Themenkonjunktur in den sozialen Medien würden die Freiheitlichen zusätzlich profitieren: „Das Thema Migration ist auch unter jungen Userinnen und Usern ein heiß diskutiertes Thema“, erklärt die Publizistin, andere Sachthemen wie Klimaschutz hätten es schwerer.

Social Media sei für die jüngeren Generationen besonders wichtig, solle aber nicht als einziger Gradmesser für den Erfolg der FPÖ innerhalb jüngerer Zielgruppen herangezogen werden. „Die Jungen spüren auch offline das gesellschaftliche Klima, bekommen mit, wen Familien und Bekannte wählen.“