Das sind die vorläufigen steirischen Ergebnisse bei der Nationalratswahl: Die FPÖ triumphiert auch in der Steiermark, einstige türkise und rote Hochburgen wurden nun blau eingefärbt. Nur den Bezirk Südoststeiermark konnte die ÖVP für sich entscheiden, der Rest der Steiermark ist blau. Nur Graz wählt traditionell anders: Hier liefern sich SPÖ und ÖVP ein Kopf-an-Kopf-Rennen, die FPÖ erreicht nur Platz drei.
Steirische FPÖ: „Die Leute wollen Kickl als Kanzler“
Die Hochrechnung zur Nationalratswahl 2024 wurde auch in den steirischen Parteizentralen mit großer Spannung verfolgt. In der FPÖ-Zentrale brach großer Jubel aus, als der Balken der FPÖ nach oben schoss (siehe Video). Der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek sagte in einem ersten Statement: „Die Leute wollen Veränderung und sie wollen Herbert Kickl als Kanzler.“ Wie es nun in der Regierungsbildung weitergehe, kommentiert Kunasek so: „Ich gehe davon aus, dass unser Bundespräsident Demokrat ist und Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragen wird.“ Der steirische Spitzenkandidat der Blauen, Hannes Amesbauer, freute sich über der zweite ausgezeichnete Ergebnis nach der EU-Wahl für die FPÖ: „Ich denke, dass jetzt auch in der Grazer Burg die Nervösität groß ist.“
Video: So feiert die FPÖ in der Grazer Zentrale
ÖVP-Drexler: „Herbe Niederlage für die Volkspartei“
Ganz anders die Stimmung in der ÖVP-Zentrale, wie das Bild zeigt: Von Jubel war hier nichts zu spüren. Spitzenkandidat Kurt Egger sagte: „Das Ergebnis ist eine große Enttäuschung, die Stimmung in den letzten Tagen war anders.“ Zu einer möglichen Koalition mit Wahlsieger FPÖ kommentierte Egger: „Wir sind nicht in der Rolle, das jetzt zu entscheiden.“ Auch Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl spricht in einer ersten Reaktion von einer „bitteren Niederlage“. Und sagt weiter: „Wir haben auf den ersten Platz gehofft, das ist leider nicht gelungen.“
Landeshauptmann Christopher Drexler in einer ersten Reaktion: „Wir haben heute eine ganz große Enttäuschung erlebt. Zweifelsohne war diese Nationalratswahl eine herbe Niederlage für die Volkspartei. Ich bedanke mich bei den Wählerinnen und Wählern und allen, die in den letzten Wochen so engagiert für die Volkspartei gerannt sind - auch wenn es letztlich nicht für den ersten Platz gereicht hat.“ Auf die Frage, was dieses Ergebnis in Hinblick auf die Landtagswahl im November bedeutet, sagt Landeshauptmann Christopher Drexler: „Die Steirerinnen und Steirer wissen sehr gut zwischen einer Nationalratswahl und einer Landtagswahl zu unterscheiden. Bei einer Landtagswahl geht es um andere Themen und es stehen andere Persönlichkeiten zur Wahl. Eines ist nach dem Ergebnis der Nationalratswahl aber klar: Wir sehen ein Duell zwischen ÖVP und FPÖ. Dieses Duell um die künftige Ausrichtung der Steiermark nehme ich an.“
SPÖ-Leichtfried: „Wir konnten davon nicht profitieren“
Lange Gesichter gab es auch in der Parteizentrale der steirischen SPÖ: Kurz nach der ersten Hochrechnung im ORF ergriff Spitzenkandidat Jörg Leichtfried das Mikrofon und versuchte die Anwesenden etwas aufzurichten. „Dieses Ergebnis ist für uns enttäuschend und unter unseren Erwartungen. Die Regierung ist abgestraft worden und wir konnten davon nicht profitieren, das muss man klar sagen.“ Trotzdem glaubt Leichtfried, dass die SPÖ bei der kommenden Landtagswahl alle Chancen habe. Für tiefergehende Analysen war es dem steirischen Spitzenkandidaten noch zu früh, auch über eine neuerliche Obmanndebatte wollte er nicht spekulieren. „An euch ist es jedenfalls nicht gelegen“, sagte der Obersteirer in Richtung der enttäuschten Funktionäre.
Auf die Frage, ob Parteichef Andreas Babler nun zurücktreten soll, sagte Anton Lang, Chef der Steirer-SPÖ: „Zwei Jahre Personaldiskussion im Bund hatten wir doch schon, noch mehr internen Streit kann die Partei nicht brauchen.“
In St. Peter am Kammersberg, der Heimatgemeinde des scheidenden SPÖ-Abgeordneten und Bezirksparteivorsitzenden Max Lercher, verliert die SPÖ mehr als neun Prozent, bleibt mit knapp 18 Prozent aber unter dem Bezirksdurchschnitt. Die erste Reaktion von Max Lercher: „Es tut weh, ist gibt eine Wendestimmung im Land, mit der sich die SPÖ beschäftigen muss. Vor allem mit der Frage: Wie erreichen wir die Arbeitnehmer?“ Zu den internen Querelen seiner Partei, in die er involviert war, sagt er: „Ich habe mich seit dem Parteitag nicht mehr eingemischt, man sollte die Verantwortung jetzt nicht in der zweiten und dritten Reihe suchen, sondern dort, wie die Entscheidungsträger sitzen.“
Steirische Grüne: „Extrem schwierig für Regierungspartei“
Auch die steirischen Grünen mussten eine herbe Niederlage verdauen: Sandra Krautwaschl, Klubobfrau der steirischen Grünen in einer ersten Reaktion: „So bitter es heute ist, dass wir nicht mehr Menschen überzeugen konnten: Es war eine großartige Wahlbewegung unter extrem schwierigen Bedingungen für eine Regierungspartei.“ Krautwaschl betonte im Hinblick auf die steirische Landtagswahl Ende November: „Ohne Grüne kein Klimaschutz, schon gar kein sozial gerechter Klimaschutz – dafür wollen wir die Leute in der Steiermark ab übermorgen begeistern.“
Steirische Neos: „Rückenwind für steirische Wahl“
Mit Freude reagierten die steirischen Neos auf das pinke Ergebnis bei der Nationalratswahl: “Das Ergebnis ist ein toller Rückenwind für die steirische Wahl in zwei Monaten“, sagte Landessprecher Niko Swatek. „Wir konnten die steirischen Mandate im Nationalrat verdoppeln. Es zeigt, die Menschen wollen Reformen.“ Für Swatek gehören die Neos in der Steiermark zu den Wahlsiegern.
Steirische KPÖ: „Treue KPÖ-Wähler haben Babler gewählt“
Der steirische KPÖ-Spitzenkandidaten Hanno Wisiak kommentierte das Ergebnis seiner Partei so: „Wir haben es nicht geschafft, die gute Stimmung auch in Stimmen umzuwandeln. Mir haben Leute, die auf Stadt- und Landesebene treue KPÖ-Wähler sind, gesagt, dass sie diesmal Babler wählen. Das ist wohl der Polarisierung durch Kickl und die FPÖ geschuldet.“ Insgesamt sieht Wisiak aber auch heute einen Trend zur Stärkung der KPÖ.
Blaue Steiermark: So sieht die steirische Landkarte nun aus
Blicke in die steirischen Regionen: Rote und türkise Hochburgen nun blau
Graz wählt anders – das gilt auch bei dieser Nationalratswahl: SPÖ und ÖVP liefern sich in der noch laufenden Auszählung ein Kopf-an-Kopf-Rennen, die FPÖ liegt demnach nur auf Platz drei. Die großen Verlierer in Graz sind derzeit die Grünen. 2019 noch mit 27 Prozent fast auf Platz eins, kommt man nun nur auf 15,2 Prozent. Auch die KPÖ bleibt unter ihren Erwartungen.
Auch die politische Landkarte des Bezirks Graz-Umgebung wurde umgefärbt: Bei den Nationalratswahlen 2019 hatte sich der Bezirk Graz-Umgebung noch flächendeckend türkis präsentiert. Nun kommt es zum tiefgreifenden „Farbenwechsel“. Die FPÖ gewinnt die Mehrheit im Bezirk und gewinnt in 25 von 36 Gemeinden die Mehrheit der Stimmen. Die ÖVP muss zweistellige Verluste hinnehmen und bleibt in elf Gemeinden Nummer eins. Die SPÖ bleibt mit einem minimalen Plus von 0,04 Prozent stabil, die Neos verdrängen die Grünen von Platz vier.
Die FPÖ ist in den Bezirken Deutschlandsberg und Leibnitz ganz klar an der Spitze, die ÖVP fährt in beiden Bezirken massive Verluste ein und fällt auf Platz zwei zurück. Die SPÖ landet abgeschlagen auf Platz drei. Im Bezirk Leibnitz trafen die Wählerinnen und Wähler ein eindeutiges Votum: Mit 39,7 Prozent der Stimmen – ein stattliches Plus von 15,9 Prozentpunkten – katapultierten sie die FPÖ an die Spitze. Gleichzeitig schafften die Freiheitlichen hier das stärkste Bezirksergebnis steiermarkweit.
Den Bezirk Voitsberg färbt die FPÖ fast lückenlos blau: 14 von 15 Gemeinden im Bezirk färben sich blau Die blauen Hochburgen im Bezirk sind Geistthal-Södingberg (43,09 Prozent), Stallhofen (43,90), Köflach (41,3) und Rosental an der Kainach (41,56). Nur in Hirschegg-Pack schafft die ÖVP Platz eins.
Im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld sorgte die Nationalratswahl für ein Erdbeben: Die ÖVP-Hochburg färbt sich blau ein, wobei besonders das Ergebnis der oststeirischen Gemeinde Neudau überraschend kommt. Denn bisher konnte man sich hier, entgegen der Trends, als SPÖ-Gemeinde den Titel als „Gallisches Dorf“ von Hartberg-Fürstenfeld sichern. Nun stürzte die FPÖ jedoch auch hier die Sozialdemokraten vom Thron.
Bei den Freiheitlichen im Südosten des Landes ist bereits Feierstimmung angesagt: In der Südoststeiermark konnte sich die ÖVP zwar den ersten Platz sichern, allerdings nur ganz knapp vor der ÖVP. Die Südoststeiermark gilt traditionellerweise als türkises Kernland. „Das ist ein großartiges Ergebnis für unseren Bezirk. Die abgehobene Politik von Türkis-Grün in den letzten Jahren wurde abgestraft“, so Michael Wagner, FPÖ-Spitzenkandidat für die Südoststeiermark und Bezirksparteiobmann, in einem ersten Statement.
Auch im Bezirk Liezen konnte die FPÖ triumphieren: Albert Royer und Eva Maria Kroismayr-Baier von der FPÖ zeigen sich angesichts des Bezirksergebnisses von knapp 35 Prozent „begeistert“ und kündigen an: „Ab morgen geht‘s um die Spitäler!“.
Das rote Kernland in der Industrieregion Bruck-Mürzzuschlag gehört bis auf zwei Gemeinden (ÖVP) komplett der FPÖ. „Blau ist wieder tragfähig“, erklärt man bei den Freiheitlichen und verweist darauf, dass die SPÖ bei den Arbeitern schon länger keinen Fixplatz mehr hat.
In der sozialdemokratischen Arbeiterhochburg Leoben hat die FPÖ mit 34,75 Prozent deutlich die Nase vor den Roten mit 25,61 Prozent. Im Bezirk ist nur mehr Mautern türkis, wo der Nationalratsabgeordnete Andreas Kühberger selbst Bürgermeister ist. Er liegt trotz eines massiven Absturzes der ÖVP (minus 16 Prozentpunkte auf 39,39 Prozent) und eines ebensolchen Zugewinns der FPÖ (plus 14,88 Prozentpunkte auf 28,58 Prozentpunkte) noch immer deutlich vorne. Mehrheitlich rot gewählt haben nur Eisenerz und Vordernberg.
Graz: Scharmützel um Wahlplakate
Dass die Nerven vor der Bekanntgabe der Ergebnisse blank liegen, zeigen Ereignisse aus Graz: Ein politisches Scharmützel gibt es rund um Wahlplakate, die die KPÖ vor Wahllokalen aufgestellt hat. Wie auf Fotos ersichtlich, dürfte die Partei dabei zwar den gesetzlich vorgesehenen Abstand zum Wahllokal eingehalten haben. „Es geht aber nicht um Meter, sondern darum, dass sich alle anderen Parteien daran halten, keine Plakate vor den Wahllokalen aufzustellen“, unterstreicht ÖVP-Graz-Geschäftsführer Markus Huber. Mehr dazu lesen Sie hier.
Hier wählten die steirischen Spitzenkandidaten
Heuer wurde eine Rekordmenge an Wahlkarten in der Steiermark ausgestellt, auch einige der steirischen Spitzenkandidaten haben via Wahlkarte gewählt: Mit Wahlkarte gewählt haben unter anderen der steirische Neos-Spitzenkandidat Veit Dengler, Stefan Haring (LMP) oder Helmut Dallago (MFG). SPÖ-Frontmann Jörg Leichtfried und Landesparteichef Anton Lang ebenso. Am Nachmittag sind beide in der Parteizentrale in Graz, Lang rechnet mit einem Zweier vor dem Landesergebnis. Doch um an Kanzler Andreas Babler zu glauben, dafür ist der Leobner zu lange in der Politik.
Kurt Egger, der steirische ÖVP-Spitzenkandidat, wollte am Sonntag – nach mehrwöchiger Pause – „endlich wieder die Laufschuhe anziehen“. Gewählt wurde in einem Gymnasium in Graz-Geidorf. Landesparteichef, LH Christopher Drexler wählte in Passail, beide ÖVP-Politiker steuern am Nachmittag die Parteizentrale in Graz an. Dort sorgen die Konsequenzen aus dem Bundesergebnis schon vorab für Kopfzerbrechen.
Vize-Kanzler Werner Kogler (Grüne) wählte in Graz-Andritz, der einzige steirische ÖVP-Minister Martin Polaschek in Graz-Waltendorf. Eine Volksschule weiter in Graz-St. Peter machte FPÖ-Landeschef Mario Kunasek das „Kreuzerl“. Spitzenkandidat Hannes Amesbauer hat daheim im Mürztal Wahldienst. Ein Stimmenzugewinn ist den Blauen in der Grünen Mark laut Umfragen sicher, ob daraus ein „Turbolader“ für die Landtagswahl werden kann, wird im Bund mitentschieden.
Verwirrung um Posting: Zu wenige Stimmzettel?
Für Aufsehen sorgte ein Posting auf der Plattform „X“, vormals Twitter: Ein User behauptete, in seinem Wahllokal in der Südsteiermark seien die Stimmzettel ausgegangen – eine Behauptung, die nicht stimmen dürfte, ergab die Nachfrage bei der steirischen Landeswahlbehörde. Wolfgang Wlattnig, Leiter der Landeswahlbehörde, hat seine Zweifel. „Das kann nicht sein, es haben alle genug Stimmzettel.“ Der Behörde liegen keine Meldungen vor, dass Stimmzettel ausgegangen wären. Denn „die Gemeinden bekommen mehr Zettel, als es Wahlberechtigte gibt“ – ein Puffer für den Fall der Fälle.