Er dürfte am Wahlsonntag nur selten vor der Kamera zu sehen sein, knapp nach 17 Uhr werden wohl alle Blicke des Landes auf ihn gerichtet werden: auf Christoph Hofinger, den bewährten und vor allem verlässlichen Hochrechner der Nation, der am Sonntag seine 76. Wahl zu schlagen hat. In den letzten zehn Jahren wich das Endergebnis im Schnitt pro Partei um 0,4 Prozent von der ersten Hochrechnung ab.

„Bei Hochrechnungen gibt es keine Trainingsfahrt“

„Jede Wahl ist die schwierigste Wahl aller Zeiten“, weist Hofinger die Überlegung, mit der nötigen Routine werde er wohl auch diese Nationalratswahl problemlos absolvieren, zurück. Und vergleicht seine Anspannung mit einem Abfahrtslauf in Kitzbühel: „Wenn sich ein Abfahrer nicht auf die Streif traut, weil sie besonders vereist ist, soll er es gleich lassen. Unser Problem ist dass es bei der Hochrechnung keine Trainingsfahrt gibt.“

Wachsendes Stadt-Land-Gefälle

Diese Wahl sei aus mehreren Gründen schwierig: Zum einen seien große Veränderungen zu erwarten (großes Minus der ÖVP; starkes Plus der FPÖ), zum anderen gebe es neue Parteien. Zunehmend schwierig werde das wachsende Stadt-Land-Kluft bei der FPÖ. Bei der EU-Wahl legten die Freiheitlichen in ländlichen Gebieten um zehn Prozent zu, im urbanen Raum um sechs.

Nur 30 Prozent der Stimmen liegen vor

Anders als früher bleiben Hofinger und seinem Team am Sonntag ungefähr so viel Zeit, wie eine Abfahrt auf der Kitzbühler Streif dauert: rund zwei Minuten. Seit der Wiederholung der Hofburg-Stichwahl laufen auch bei ihm alle Daten mit Wahlschluss um 17 Uhr ein. Von den knapp 2100 Gemeinden dürften dann schon die Ergebnisse von 1500 vorliegen. „Das sind aber nur um die 30 bis 40 Prozent aller Wählerstimmen.“

„Emotionale Beziehung zu Graz“

Die eigentliche Herausforderung: Die Ergebnisse der großen Städte Wien, Graz oder Linz liegen noch nicht vor, allerdings erhält Hofinger von den Behörden erste Sprengelergebnisse aus der steirischen Landeshauptstadt, wo um 16 Uhr die Wahllokale schließen. „Ich habe eine emotionale Beziehung zu Graz. Sie ist ein der vertrautesten Städte des Landes. Graz hat uns etwa die Bundespräsidentenwahl gerettet.“

Im Schneesturm mit der Diskette in die Wahlzentrale

Schon seit Jahrzehnten dient Graz als wichtigster Seismograf bei der Einschätzung des Wahlverhaltens im urbanen Raum. Hofinger erinnert sich, dass bei der legendären Landtagswahl 1995 ein Bote im Schneesturm mit einer Diskette in der Hand vom Rathaus hinauf zur Wahlzentrale in der Burg geeilt ist. „Ich bin den kompetenten Kollegen in der Wahlbehörde besonders verbunden..“

Bei Selenskyjs Kür im Jahr 2019 auch dabei

Hofinger arbeitet nicht nur in Österreich als Hochrechner. 2019 war er bei der Kür von Wolodymyr Selenskyj in der Ukraine dabei, auch in Georgien, Bulgarien und 2013 in Deutschland.