Wenige Tage vor der Wahl halten sich die Meinungsforscher mit Prognosen über den Wahlausgang zurück. Bei der EU-Wahl im Juni hatte niemand das knappe Rennen um Platz eins zwischen der FPÖ und der ÖVP auf dem Schirm, nur 30.000 Stimmen betrug der Vorsprung der Blauen. Auch in Innsbruck und Salzburg blieb die FPÖ hinter ihren Erwartungen und den Vorhersagen zurück. Deshalb die bisweilen noble Zurückhaltung. Noch dazu sind rund zehn Prozent der Wähler, immerhin eine halbe Million Österreicher, immer noch unentschlossen.

Umfragen sehen FPÖ knapp vorne

Konsens scheint zu herrschen, dass das verheerende Hochwasser durchaus zu Verschiebungen im Krafteparallelogramm geführt hat, die zwar moderat ausfallen - allerdings mit dem spektakulären Nebeneffekt, dass die derzeit gängigen Vorhersagen über mögliche Koalitionsbildungen Makulatur wären: Aktuelle Umfragen von OGM (für Servus), IFDD (Krone) oder Lazarsfeld (Oe24) sehen nach wie vor die FPÖ auf Platz eins, die ÖVP scheint den Blauen dicht auf den Fersen zu sein. Die SPÖ dürfte im Rennen um Platz eins nicht mitmischen, allerdings keinen Absturz ins Bodenlose, wie von manchen Beobachtern prognostiziert, erleiden..

Doch keine Zeitenwende?

Nach der Absage von Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer an eine Koalition mit einer FPÖ unter Herbert Kickl hieß es monatelang, Österreich steuere auf eine dreifache Zeitenwende zu: Bisher stellten SPÖ oder ÖVP den Wahlsieger, erstmals seit 1945 dürfte die FPÖ auf Platz eins liegen. Auch müsse Österreich Abschied von der Zweierkoalition nehmen und sich mit der Idee einer Dreierkoalition anfreunden, die  Neos sahen sich bereits als Königsmacher, als Zünglein an der Waage. Darüber hinaus müsse die staatstragende SPÖ womöglich erstmals mit Platz drei vorliebnehmen. Die ÖVP machte bereits 1999 unter Wolfgang Schüssel diese schmerzhafte Erfahrung, was sie allerdings nicht daran hinderte, dann doch noch ins Kanzleramt einzuziehen. 

Kleine müssen um den Einzug zittern

Doch angesagte Revolutionen finden oft nicht statt. Derzeit sieht es so aus, als ob der Einzug der Bierpartei ins Parlament wackelt, auch KPÖ und Liste Petrovic dürften draußen bleiben. Womöglich schafft der Wandel, der unter der durchaus irreführenden Bezeichnung  “Keine der Parteien” antritt, noch das beste Ergebnis der Kleinparteien.

Experten erstellen Simulationsmodelle

Diese moderaten Verschiebungen könnten eines bewirken: dass sich wider Erwarten eine Große Koalition aus ÖVP und SPÖ ausgeht. Nach Informationen der Kleinen Zeitung hat sich die eine oder andere Parteizentrale von Experten Simulationsmodelle erstellen lassen: Schafft keine der Kleinparteien den Sprung ins Parlament, sinkt automatisch die Schwelle für eine Mandatsmehrheit, weil deren Stimmen bei den Kalkulationen dann nicht mehr ins Gewicht fallen. Sollte das Quartett der Kleinen etwa acht Prozent der Stimmen auf sich vereinen (Bierpartei mit drei, KPÖ mit zwei, Keine mit zwei, Petrovic mit einem Prozent), würden 92 Prozent für die Berechnungen herangezogen werden. Das hätte zur Folge, dass bereits 46 Prozent der Stimmen für eine Koalitionsbildung genügen würden, so das Simulationsmodell, allerdings mit einer hauchdünnen, „arschknappen“, um ein geflügeltes Wort des Bundespräsidenten zu verwenden, Mehrheit von 93 Mandaten - 92 Abgeordnete reichen für eine Mehrheit. Kämen ÖVP und SPÖ gemeinsam auf 47 Prozent, wäre die Koalition mit 95 Mandaten  deutlich besser abgesichert. 

Nach monatelangen Verhandlungen

Würde bedeuten: Nach sieben Jahren würde die nicht mehr so Große Koalition ein Comeback feiern, Österreich bliebe das Experiment, das Novum einer Dreierkoalition, die in Europa nahezu Mainstream ist, erspart. 

Einer solchen Konstellation gingen wahrscheinlich monatelange Verhandlungen voraus, da die ÖVP und die SPÖ unter Andreas Babler ideologisch Welten trennen. Szenarien, wonach Babler zur Seite treten würde, scheinen eher türkisem Wunschdenken zu entsprechen. Babler ist als Parteichef nach dem neuesten Statut fest einzementiert. SPÖ-Kreisen, die den amtierenden Parteichef skeptisch sehen und sich für eine Koalition mit der ÖVP erwärmen können, gehen deshalb von monatelangen zermürbenden Verhandlungen aus, die auch von Babler geführt werden. Ob Babler dann in die Regierung einzieht oder ein anderer SPÖ-Spitzenpolitiker, ist offen.