ÖVP: Der Kanzler als „Normalo“
Die ÖVP könne mit ihren Plakaten vor allem im eigenen „Biotop“ punkten, glaubt Hirschmugl. Außerhalb davon zweifelt er an der Wirkung: „Die ‚starke Mitte‘ ist eine Beschreibung der vermuteten bürgerlichen Zielgruppe, aber kein Versprechen.“ Auch der Slogan „Für unser Land“ sei „einfach keine Nachricht. Dagegen wird man nicht sein.“ Ziel der Kanzlerpartei sei es wohl, keine potenziellen Wähler zu verärgern. Laut Hofer könnte die ÖVP hoffen, auch taktische Wähler anzusprechen. Bundeskanzler Karl Nehammer versuche sich als die „Mitte“ zwischen SPÖ-Chef Andreas Babler und FPÖ-Chef Herbert Kickl zu positionieren, erklärt Hofer, „als der Einzige, der nicht extrem ist.“ Die Taktik, Nehammer als „Normalo“ zu positionieren, verfolge die ÖVP seit längerem, überraschend seien die Sujets deshalb nicht. Dass Nehammer alleine im Mittelpunkt steht, ist für Siegl nachvollziehbar. „Wen stellt man neben den Kanzler? Das wäre ein Eingestehen von Schwächen.“
SPÖ: Plakate „ohne Ecken und Kanten“
Eine „ganz klassisch sozialdemokratische“ Kampagne „ohne Ecken und Kanten“ sieht Siegl in den Plakaten der SPÖ. Man versuche, klassische Zielgruppen wie Frauen und Pensionisten anzusprechen, „man lehnt sich nicht weit hinaus“. Auch Kinder würden im Mittelpunkt stehen, fällt Siegl auf. („Mit Herz und Hirn für deine Kinder.“) Immerhin sei die Bekämpfung von Kinderarmut eines der zentralen Wahlkampfthemen des Parteivorsitzenden Andreas Babler. Die SPÖ versuche, Volksnähe zu vermitteln und die Gefühlsebene anzusprechen, analysiert Hofer und spricht von einer „soliden“, wenn auch wenig überraschenden Kampagne. Die Kritik an der momentanen Regierung sei im Vergleich zur FPÖ allerdings „nicht halb so zugespitzt“. Deutlich negativer fällt die Kritik von Hirschmugl aus. Die SPÖ-Wahlplakate würden auf „Allerweltsformeln“ zurückgreifen, seien „viel zu vage, zu offen, austauschbar“. („Für dein besseres Österreich.“) „Man spürt von einer Stimmung, die angesprochen werden soll, so gar nichts“, meint Hirschmugl, gleichzeitig „spürt man da die Werbeagentur“.
FPÖ: Verzicht „auf die ganz große Provokation“
Die Wahlplakate der FPÖ seien gelungen, sind sich die Experten einig. Man setze auf eine „softe Linie“, sagt Siegl. Die FPÖ versuche damit „in die Mitte hineinzugehen“ und Menschen, die darüber nachdenken, erstmals ihr Kreuz bei den Freiheitlichen zu machen, „nicht zu verschrecken“, erklärt Politikberaterin Siegl. „Die FPÖ ist in allen Umfragen auf Platz eins, das will man jetzt auch ins Ziel bringen.“ Auf ihre Stammwählerschaft könnten sich die Blauen ohnehin verlassen. „Der gezähmte Herr Kickl“ sei das Motto, stimmt Hirschmugl zu. „Nichts von Festung und Angriffigkeit.“ Die Plakate würden „ein überraschend freundliches Signal an Noch-Nicht-Wähler“ senden. Zudem sei das reduzierte Design der Sujets zeitgemäß, fällt dem Werbeprofi auf. Dass der ans Vaterunser angelehnte Slogan „Euer Wille geschehe“ in kirchlichen Kreisen für Aufregung sorgen würde, hätten die Freiheitlichen einkalkuliert, glaubt Hofer. „Die FPÖ will, dass über ihre Plakate gesprochen wird“. Der Politikberater sieht eine „mittelgroße Provokation“, auf die „ganz große Provokation“ sei bei dieser Plakatwelle verzichtet worden.
Grüne: Klima mit guter Stimmung
Die Grünen bekommen Lob von Hirschmugl. „Zielgruppenfit“, seien die Plakate, die Grafik habe „eine eigene Sprache, einen eigenen Stil“. Dass die Grünen ihren Spitzenkandidaten Werner Kogler weniger ins Zentrum rücken als eigene Parteien, kann Siegl nachvollziehen. „Grüne Wähler sind Kopfwähler, wählen ganz stark wegen Themen und weniger wegen Personen.“ Thematisch steht der Klimaschutz im Fokus, „Klima oder Krise“ haben die Grünen etwa plakatiert. Allerdings versuche die Öko-Partei dabei, einen positiven Ausblick zu geben („Wähl‘ als gäb’s ein Morgen!“). Ähnlich sieht das Hofer. Für die Grünen sei das Klimathema eine „Lebensversicherung“. Gleichzeitig sei man darum bemüht, keine „Weltuntergangsstimmung“ zu vermitteln. Möglicherweise wolle man sich mit der zuversichtlicheren Botschaft auch von Gruppen wie der „Letzten Generation“ abgrenzen.
Neos: „Kraftlos und unverbindlich“
Politikberater Hofer sieht in der Plakatkampagne den Versuch, die Reformkraft der Neos zu betonen – das Wort ziert auch in großen, pinken Lettern eines der Plakatsujets. „Nach elf Jahren ist man nicht mehr ganz neu“, sagt der Politikberater, mit Neuigkeitswert versuchen zudem auch andere Parteien wie die Bierpartei zu punkten. Auch sei das Versprechen „20.000 Lehrkräfte mehr“ ein Versuch, das für die Neos zentrale Bildungsthema „etwas zu emotionalisieren“, sagt Hofer. Siegl sieht den Blick der Neos auf eine mögliche Regierungsbeteiligung gerichtet – hier komme auch die plakatierte Reformkraft ins Spiel. Keine guten Noten gibt es von Hirschmugl: „Wenn Reform die Nachricht ist, dann bleiben die Forderungen kraftlos und unverbindlich“, meint der Werbeexperte. „Man fragt sich: Wer ist die Zielgruppe? Wen will man damit erreichen?“