Die US-Präsidentenwahl im November 2000 zwischen Al Gore und George W. Bush wurde letztlich durch den Obersten Gerichtshof in Washington entschieden. Der Supreme Court stoppte nach langem Hin und Her Neuauszählungen von Stimmen in Florida, die Gore zum Sieg hätten verhelfen können. Bei den juristischen Initiativen, die US-Präsident Donald Trump heuer unternimmt, um sich an der Macht zu halten, kommen im Vergleich zu damals einige neue Faktoren dazu.
Neuauszählungen haben bei politischen Wahlen in den USA Tradition. Wenn der Vorsprung der Siegerpartei einen bestimmten Prozentsatz unterschreitet, ist in vielen Staaten sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass neu ausgezählt werden muss. Meistens verschiebt sich durch diese Auszählungen das Endergebnis nur marginal. Im Jahr 2000 ging es aber um knapp über 1.000 Stimmen, die Bush in Florida laut dem amtlichen Ergebnis vom 8. November vor Gore lag.
Prozentuell befand sich sein Vorsprung unter 0,5 Punkten, daher wurde nachgezählt. Der Rückstand von Gore schmolz dadurch auf wenige hundert. Der republikanisch dominierte Supreme Court entschied schließlich aber im Sinne von Bush und bereitete dem Nachzählen ein Ende. Auch in Hinblick auf den sozialen Frieden im Land gestand Gore seine Niederlage ein, Bush wurde von den Wahlleuten zum 43. Präsidenten gewählt.
Diesmal ähnliche Situation
Etwas ganz Ähnliches könnte sich auch heuer zutragen, meinen USA-Experten, falls Trump die Wahl verliert. In diesem Fall wäre es jedoch der republikanische Kandidat, der hinten liegt und hoffen muss, dass sein Stimmenanteil durch Neuauszählungen oder andere Entscheidungen wächst. Welcher Staat die Rolle von Florida im Jahr 2020 übernimmt, ist dabei noch nicht klar. Derzeit ist noch nirgendwo ein ähnlich schmaler Vorsprung eines Kandidaten wie damals im Sunshine State abzusehen.
Es könnte Pennsylvania sein, wo Trump am Ende hauchdünn hinter seinem Herausforderer Joe Biden liegen könnte. Der Staat hat mit 20 Wahlleuten durchaus Gewicht im Elektorenkollegium, aber allein damit wird Trump nach derzeitigem Stand das Rennen nicht drehen können. Die Gerichte mit einer Fülle von Fällen zu überhäufen, wäre jedoch auch kein guter Plan. "Es wäre für den Obersten Gerichtshof ziemlich unmöglich, in sechs bis acht Staaten einzugreifen", sagt der Verfassungsexperte Bruce Ackerman von der Yale Law School.
Trump müsste eigentlich den Ausgang in allen Staaten abwarten, um sich eine gut durchdachte Strategie zurechtlegen zu können. Die zahlreichen Klagen, die bereits eingebracht wurden, zeigen jedoch, dass sein Team vor allem auf Quantität setzt. Dabei geht es vor allem um die unterstellte Illegitimität der Briefwahl. Dieser eindeutige inhaltliche Fokus ist ein wesentlicher Unterschied zu den Vorfällen im Jahr 2000. Damals wurde in erster Linie um formalrechtliche Punkte gestritten.
Briefwahl hat Tradition
An der Briefwahl an sich werden die Trump-Anwälte nicht rütteln können. Auch dieses Instrument hat in den USA Tradition, schließlich hat das Land spätestens ab Mitte des 20. Jahrhunderts immer eine hohe Zahl von Soldaten in anderen Ländern oder auf den Weltmeeren stationiert gehabt. Auch Trump selbst ist bekannt dafür, seine Stimme per Briefwahl abzugeben. Es geht aber um Fragen wie mehrfache Stimmabgaben, falsche Wählerverzeichnisse, Inkorrektheiten bei der Auszählung und darum, ob Einzelstaaten überhaupt eigenständig die Wahlregeln ändern dürfen.
Das Trump-Lager müsste aber in jedem Fall gut begründen, dass dadurch das Ergebnis entscheidend beeinflusst wurde. Was die Richter zusätzlich berücksichtigen müssen, sind die Hintergründe der Wahl im Jahr 2020. Die Möglichkeiten zur Briefwahl wurden nicht zuletzt wegen der Covid-19-Pandemie großzügig erweitert. Die Staaten, vor allem demokratisch regierte, wollten ihren Bürgern sicheres Wählen außerhalb des Wahllokales ermöglichen. Rechtsexperten zufolge sind die Chancen Trumps nicht sonderlich hoch.