Letztlich könnte es auf die Gerichte ankommen: Amtsinhaber Donald Trump hat sich bei der US-Präsidentenwahl zum Sieger erklärt, aber auch Herausforderer Joe Biden zeigt sich zuversichtlich. In vielen Bundesstaaten wurden am Mittwoch noch Stimmen ausgezählt. Das Ergebnis dürfte knapp werden. Trump kündigte an, das Oberste Gericht anrufen zu wollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Gerichte bei der Wahl ein Wort mitzureden haben, stieg damit weiter.

WELCHE FOLGEN HABEN TRUMPS AUSSAGEN?

Sie haben zunächst einmal keinerlei rechtliche Wirkung. Um die Wahl anzufechten oder die weitere Auszählung abgegebener Stimmen zu stoppen, müssten er und seine Republikaner in den betroffenen Bundesstaaten klagen. Sie dürften sich dabei auf Staaten konzentrieren, in denen ein knappes Ergebnis erwartet wird - wie zum Beispiel Pennsylvania. Erst wenn der Rechtsweg dort ausgeschöpft ist, könnten Streitfälle vor dem Obersten Gericht, dem Supreme Court, in Washington landen.

HEIMSPIEL FÜR TRUMP AM SUPREME COURT?

Bereits vor der Wahl hatte es zahlreiche Klagen gegeben, die in mehreren Fällen beim Obersten Gericht gelandet waren. Meist ging es dabei um sehr technische Fragen. Ein Thema war zum Beispiel die Frage, ob eine Frist zur Annahme von Stimmzetteln von einem Gericht geändert werden kann oder nur vom Parlament des betroffenen Bundesstaats. Bei den Entscheidungen des Obersten Gerichts ließ sich in der Summe keine klare parteiliche Tendenz erkennen.

Trump hat am Supreme Court einen Heimvorteil: Sechs der neun Richter gelten als konservativ, drei davon hat der Republikaner selbst nominiert. Die erst Ende Oktober ernannte konservative Richterin Amy Coney Barrett hat sich zuletzt bei mehreren Entscheidungen zur Wahl enthalten. In jedem Fall können die Richter nicht über den Ausgang der Wahl an sich entscheiden; sie können aber über die Rechtmäßigkeit von Fristen, Auszählungsregeln oder bestimmter Stimmen entscheiden.

KÖNNTEN AM SCHLUSS ALSO DOCH RICHTER DIE WAHL ENTSCHEIDEN?

Wegen des Mehrheitswahlrechts könnte die Wahl in einem Bundesstaat mit einem Vorsprung von nur ein paar Hundert Stimmen entschieden werden. Bei einem knappen Wahlausgang könnte daher selbst eine von der Tragweite an sich geringere Gerichtsentscheidung zur Zulassung bestimmter Stimmen das Wahlergebnis verändern. Demokraten und Republikaner haben schon vor der Wahl zahlreiche Anwälte engagiert. Jeder Streit dürfte mit allen Mitteln - und bis zur höchsten Instanz - ausgefochten werden.

GAB ES SO ETWAS SCHON MAL?

Im Jahr 2000 gab es eine wochenlange Hängepartie: Ob George W. Bush oder Al Gore der nächste Präsident würde, hing damals nur am Auszählungsergebnis im bevölkerungsreichen Bundesstaat Florida. Der Rechtsstreit um das Ergebnis und Neuauszählungen zog sich einen Monat hin, bis vor das Oberste Gericht. Danach räumte Gore seine Niederlage ein. Bush gewann mit 537 Stimmen Vorsprung, sicherte sich die Stimmen der Wahlleute Floridas und wurde US-Präsident.

BIS WANN MUSS KLARHEIT HERRSCHEN?

Die Bundesstaaten müssen ihre Endergebnisse bis zum 8. Dezember beglaubigen und nach Washington melden. Diese Frist, als "safe harbor" bezeichnet (sicherer Hafen), war zum Beispiel im Jahr 2000 bei Gores Entscheidung, seine Niederlage einzuräumen, entscheidend. Sie ist die Voraussetzung für die Abstimmung der 538 Wahlleute. Das soll dieses Jahr am 14. Dezember passieren. Das Ergebnis wird dann am 6. Jänner im Kongress bekanntgegeben, am 20. Jänner wird der Wahlsieger mit der Vereidigung ins Amt eingeführt.