Stünde Donald Trump in Europa zur Wahl – hätte er eine Chance? Ganz sicher nicht, ergab eine dieser Tage veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung. Eine repräsentative Umfrage in allen EU-Ländern ergab, dass ihn nur 17 Prozent wählen würden. Konkurrent Joe Biden käme auf 45 Prozent, 38 Prozent der EU-Bürger können weder mit dem einen, noch mit dem anderen was anfangen.
„Ausreißer“ ist übrigens Polen: Während Trump in Deutschland nur auf 10 Prozent der Stimmen käme (Biden 56 Prozent), liegt der noch amtierende US-Präsident in Polen vorne. Allerdings haben beide Kandidaten in Deutschlands Nachbarland dennoch schwache Zustimmungswerte. Trump käme in Polen auf 38, Biden auf 30 Prozent.
Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa waren über die Jahre immer durchwachsen gewesen, seit Trump aber ins Amt gekommen ist, gibt es mehr als nur atmosphärische Störungen. Politologe Peter Filzmaier fasst es im APA-Interview so zusammen: Der Republikaner operiere mit Druck und halte sich nicht an Spielregeln der internationalen Politik. "Das Prinzip Trump ist, alles infrage zu stellen", so Filzmaier. Darin unterscheide er sich auch von den beiden früheren republikanischen Präsidenten George H.W. Bush (1989-93) und George W. Bush (2001-2009), die so wie er "Unilateralisten" gewesen seien.
Trump hat mit einem Federstrich Systeme verlassen, auf die Europa nach jahrzehntelangen Entwicklungen weiterhin vertraut. Er lehnt die Vereinten Nationen ab, zieht sich aus der WHO zurück oder negiert das Pariser Klimaabkommen. Die beharrliche Weigerung Trumps, wichtige Posten in Genf nachzubesetzen, brachte die WTO in eine schwierige Lage.
Willkürliche Politik
Es ist das erratische, narzisstische Element des Präsidenten, mit dem Europa (so wie viele anderen) hadert. Seine willkürliche Zollpolitik, die letzten Endes auch dem eigenen Land Schaden zufügt, bringt auch die EU immer wieder unter Zugzwang – der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kann es mittlerweile als einen seiner großen Erfolge verbuchen, in letzter Sekunde bei Trump eine Lockerung in Aussicht gestellter Strafzölle erreicht zu haben; wenn auch nur von begrenzter Dauer.
Was es für Europa nicht leichter macht, ist der Umstand, dass Trump nicht selten eine Position vertritt, die in ihren Grundzügen durchaus ihre Berechtigung hat. Auf zwei Nato-Gipfeln, 2017 und 2018, las er den europäischen Verbündeten gehörig die Leviten, weil die Hauptlast bei internationalen Konflikten immer noch auf den USA als „Weltpolizei“ lastete. Er verlangte von den Bündnispartnern, die Budgets zu erhöhen – das ist durchaus legitim, doch Trump ließ wieder einmal die Pferde durchgehen und zog aus purem Machtgehabe Tausende Army-Soldaten aus Deutschland ab; sie wurden um teures Geld aber nicht in die USA zurückgeholt, sondern im nicht wirklich weit entfernten Belgien stationiert. Trump kennt die Achillesfersen der EU: dazu gehört eine schwammige Außenpolitik und eine nur fragmentarisch vorhandene Verteidigungspolitik. Die EU muss sich vom lautstarken Präsidenten in Augenblicken wie diesen vorgeführt vorkommen und muss gleichzeitig darauf achten, die diplomatischen Pfade nicht zu verlassen.
Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit Huawei: Für die Amerikaner, die China als Feindbild zementiert haben, kommt der Einsatz chinesischer Hochtechnologie in sensiblen Datenbereichen wie etwa dem neuen 5G-Netz nicht infrage und niemand würde sich wundern, wenn Amerika auch die europäischen Partner davon überzeugen möchte, die ohnedies die gleichen Bedenken haben. Doch Trump reicht das nicht, er greift lieber zum Holzhammer und droht allen mit Sanktionen und Strafzöllen, die nicht nach seiner Pfeife tanzen. Das selbe Bild ergibt sich beim Iran: Die USA lösen erst einseitig das Wiener Atomabkommen auf und bedrohen dann alle Unternehmen, die weiter mit dem Iran Geschäfte machen wollen, mit Strafzöllen oder Auftragsentzug. Europa hat auf solche Entwicklungen keine Antworten.
Digitale Wirtschaftsriesen
Schwerer zu bewerten ist die Gemengelage im wirtschaftlichen Bereich dort, wo die EU generelle Forderungen an „global players“, also weltumspannende Konzerne, hat, diese aber zufällig fast ausnahmslos in den USA sitzen. Ob google oder Facebook, ob Streamingdienste wie Netflix oder führende Marken wie Amazon und Apple – auch wenn Trump selbst mit so manchen dieser Unternehmen auf Kriegsfuß steht, nimmt er Pläne wie eine EU-weite Digitalsteuer oder Milliardenstrafen durch die Kommission als böswilligen Angriff wahr. Im Bereich der Wirtschaft scheint es immerhin, als hätte Europa die besseren Karten oder ist zumindest ein gleichwertiger Partner, denn wenn es ums Geld geht, gibt es auch berechenbare Szenarien. Hier kann die EU durch stabile Verträge mit anderen großen Wirtschaftsräumen wie Japan, Singapur, Kanada usw. punkten, während „Trump-Amerika“ zunehmend isoliert wirkt. Beobachter weisen auch darauf hin, dass viele der Maßnahmen Trumps nicht zu Ende gedacht seien – etwa, wenn höhere Zölle auf deutsche Autos zur Folge haben, dass die Hersteller Produktionsanlagen in den USA zurückfahren oder umgekehrt US-Marken wie Harley Davidson noch mehr in Schieflage geraten, als sie es ohnehin schon sind.
Für Peter Filzmaier ist klar, dass die Antwort Europas auf diese „Spaltungsstrategie“ nur sein kann, dass Europa noch weiter zusammenrückt. Und er sieht in diesem Zusammenhang auch ein Spannungsverhältnis zur Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union. "Je mehr man sich an Trump annähert, umso mehr muss man die EU infrage stellen", sagte er mit Blick auf den von Trump forcierten bilateralen Ansatz in den transatlantischen Beziehungen. "Wenn ich diese Politik konsequent verfolge, muss ich für eine Rückkehr zu den Nationalstaaten sein." Der Politologe spielt damit auf die intensiven bilateralen Kontakte unter der Ägide von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an, der im Februar 2019 von Trump im Weißen Haus empfangen worden war; ein zweites, bereits fixiertes Treffen wurde im letzten Moment abgesagt. Auf die Frage, ob man als kleines Land in so einem Setting nicht vielleicht mehr erreichen könne, antwortete der Politikwissenschaftler mit einem deutlichen "Nein". "Die EU muss mehr erreichen."
Trump hat immer wieder eine Art diplomatisches Beziehungs-Jojo gespielt, einmal mit Emmanuel Macron, dann mit Boris Johnson, dann mit Angela Merkel - die deutsche Kanzlerin und der amerikanische Präsident werden wohl keine "best friends" mehr, erst dieser Tage sagte Trump, die Deutschen würden ihm wohl einen Misserfolg vergönnen.
Sollte Biden gewinnen, wäre es für Europa leichter: Der Demokrat setze nämlich auf internationale Organisationen und Verhandlungen, auch mit der Europäischen Union. "Das hilft uns." Man könnte in das jahrzehntelange Muster diplomatischer Gepflogenheiten zurückkehren. Insgesamt sei Europa aber aus Sicht der USA von abnehmender Bedeutung: Auch Biden werde die Linie Barack Obamas fortsetzen und den Fokus auf Asien richten.