In weniger als zwei Wochen wählen die Vereinigten Staaten von Amerika ihren Präsidenten. Die Frage, ob Donald Trump im Amt bleibt oder mit Joe Biden wieder ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht, könnte in diesem Jahr länger unbeantwortet bleiben. Denn dank der Corona-Krise wählen heuer viele per Brief.
Auch aus Österreich werden zahlreiche „Votes“ per Brief in die Staaten geschickt, rund 8.000 Amerikaner*innen leben hier. „Ich glaube, dass die Wahlbeteiligung heuer enorm hoch sein wird – vielleicht sogar historisch“, erklärt Botschafter Trevor Trainavor einer Hand voll Journalisten in der gewissenhaft gesicherten US-Botschaft im neunten Bezirk in Wien. „Wir haben in der Botschaft bereits jetzt Rekordwerte verzeichnet.“
Eine hohe Wahlbeteiligung sei besonders in diesem Wahljahr wünschenswert. Denn: „In circa zwei Wochen wird es eine große Gruppe von Amerikaner*innen geben, die unzufrieden ist. Aber je höher die Beteiligungsrate ist, desto schneller können wir als Land weitermachen. Denn so hat das Volk nun mal entschieden.“
"Transparentestes Wahlsystem der Welt"
Kritik am amerikanischen Wahlsystem kann Traina nicht nachvollziehen. „Es ist das transparenteste System der Welt.“ Es habe sich aus der Geschichte so entwickelt, als es nur einzelne Kolonien gegeben hatte. „Null Sorgen“ mache er sich zudem, dass Trump eine mögliche Wahlniederlage schlicht nicht annehmen könnte. Dabei handle es sich lediglich um „Wahl-Theatralik“.
Auch nach der Wahl werde es sicher Rufe geben, den Präsidenten nicht anzuerkennen – wie auch immer der heißen mag. „Aber die Regierungsmaschinerie wird weiterlaufen und sich von solchen Störgeräuschen nicht beeindrucken lassen.“ Die Wahl lasse auch Problemfelder wie Rassismus und Gewalt im Land größer erscheinen als sonst. „Dass es hier Probleme gibt, will ich nicht bestreiten. Ich glaube aber, dass sie in Wahljahren verstärkt werden.“ Nach der Wahl werde man auch hier zur Normalität zurückfinden, sagt der Diplomat.
"Trump wird konstant unterschätzt"
Traina ist Republikaner, dennoch zählt Bidens Vizekandidatin Kamela Harris, die wie Traina aus Kalifornien stammt, zu seinen ältesten Freunden. Wohl auch deshalb zeigt sich der Botschafter hoffnungsvoll, auch unter einem demokratischen Präsidenten im Amt bleiben zu dürfen. Trump, den er persönlich kennt, bezeichnet er als „konstant unterschätzt“.
„Er ist deutlich stiller und introspektiver, als er in den Medien wirkt. Im persönlichen Gespräch hört er mehr zu, als er spricht und er hat die faszinierende Fähigkeit, den Durchschnittsamerikaner anzusprechen.“ Ein Kunststück, das der politischen Elite nicht gelinge. Einen Kritikpunkt nennt der Diplomat aber dennoch: „Er ist kein guter Erklärer, daran sollte er arbeiten. Aber er ist so, wie er ist.“
Den Ausgang der Wahl will Traina nicht prophezeien – „Wer sagt, dass er sicher weiß, wie das ausgeht, der lügt Sie an“. Nur so viel: „Ich glaube, dass das alles knapper ausgehen könnte, als viele glauben.“