Sogar Fox News berichtete diese Woche: „Nationale Umfragen für Donald Trump sind katastrophal“. Hat Joe Biden das Rennen schon gewonnen?
TREVOR TRAINA: Umfragen sind notorisch ungenau. Man sah das schon 2016. Die Exit Polls der New York Times sagten zu Mitternacht des Wahltages, dass ein Sieg Hillary Clintons sicher sei. Das Ergebnis war anders.
Jetzt sieht die Umfrage von ABC und Washington Post aber Biden national mit 54 Prozent schon zwölf Prozent vor Trump mit 42.
Ich denke, viel knapper, als die Umfragen sagen, ist das Rennen in den sogenannten „Battleground States“ wie Florida, Ohio, Wisconsin, Michigan.
Die wichtig sind, um die Mehrheit von 270 Wahlmännern im Electoral College zu bekommen, das den Präsidenten wählt. Aber Fox News titelte zugleich: State Polls für Trump kaum besser. Biden sechs Prozent vorne in Wisconsin, Pennsylvania, ´Nevada.
Für mich ist Trafalgar das beste Institut. Und die jüngste Trafalgar-Umfrage sieht Trump national um zwei Prozent vorne.
Wahlkampfthema Corona
Welche Auswirkung kann Präsident Trumps Infektion mit dem „chinesischen Virus“, wie er sagt, auf die Wahl haben?
Alles hat Auswirkungen auf das Wahlergebnis. Wir erleben das verrückteste Wahljahr. Es begann perfekt mit einer starken Wirtschaft. Dann kamen Covid 19, Unruhen, fehlende Gerechtigkeit, Law and Order. Von einer Minute auf die andere schien alles flugs zu sein. Natürlich war jedermann besorgt, als der Präsident und Personen seiner Umgebung das Virus bekamen. Alle waren erstaunt, wie rasch er sich erholt hat. Auch Dank neuer Therapien, die auf den Markt kommen. Die findet der Präsidenten noch spannender als einen Impfstoff. Wenn die rasch helfen, ändert das auch die Verbreitung der Pandemie.
Kritik, dass er sofort wieder öffentlich wahlkämpfte, teilen Sie?
Wir alle wissen: Der Präsident liebt Action und arbeitet hart. Wann soll man nicht am aktivsten sein, wenn in drei Wochen die Zukunft entschieden wird?! Das versteht jeder.
Die Präsentation von Amy Coney Barrett als Kandidaten für das Höchstgericht erschien wie ein achtloses Superspreader-Event.
Das wissen wir nicht. Alle Teilnehmer waren an dem Tag vorher getestet worden und es war im Freien. Schwer zu sagen.
Viele sagten, nun trifft es den, der die Gefahr kleingeredet hat.
Es ist ein Wahljahr und für die Opposition ist das Handeln des Corona-Virus das letzte Thema, das sie pushen kann. Bereits im Jänner schloss der Präsident die Grenze zu China und wurde dafür schwer kritisiert. Im Februar rief hingegen Nancy Pelosi die Leute zum „sicheren“ chinesischen Neujahr nach Chinatown. Die WHO sagte, keine Sorge, keine Masken nötig. Im Februar rief Trump aber oft auf: Aufpassen, Hände waschen!
210.000 Corona-Tote und 7,8 Millionen Infizierte sind kein Erfolg.
Wir haben 330 Millionen Einwohner. Die Pro-Kopf-Todesrate in den USA ist geringer als in Frankreich, Spanien und Italien. Mehr als 25 Prozent der Todesfälle wurden der Manhattan-Area zugezählt. Gouverneur Andrew Cuomo sandte Infizierte zurück in Pflegeheime. Das ist alles sehr tragisch.
Was sagen Sie zum Ansteigen der Infektionen in Österreich und in Europa generell?
Österreich hat einen sehr guten Job gemacht. Sogar hier besteht die Gefahr einer neuen Welle. In Europa haben die Länder einzeln gehandelt und Grenzen dichtgemacht, sogar den Brennerpass. In den USA können die Staaten das nicht tun. Kalifornien, woher ich stamme, hatte einen sehr frühen Lockdown und strenge Maßnahmen aber dennoch eine hohe Todesrate.
Die Wirtschaftsleistung bricht heuer Österreich und Europa um rund sieben Prozent ein, in den USA „nur“ um 4,3 Prozent laut IMF-Report dieser Woche. Wie das?
Amerika hat eine hochdigitalisierte Wirtschaft. Einer meiner größten Wünsche für Europa ist, dass es digital zu den USA und China aufschließt.
Digitale Konzerne müssten hier halt auch faire Steuern zahlen.
Die EU ist leider ein unfreundlicher Boden für eigene digitale Champions. Die Spotifys können wir auf einer Hand aufzählen. Wirecard gibt zu denken. In den USA läuft die Wirtschaft in vielen Teilen relativ normal.
Arbeitslosen- und Börsenrekord
In den USA verloren heuer 22 Millionen Menschen den Job, erst elf Millionen Jobs wurden aufgeholt. Eine düstere Trump-Bilanz.
Dass Kalifornien noch weitgehend Lockdown hat, ist nicht die Entscheidung Trumps. Und das ist die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Aber ich bin optimistisch für die USA.
Die US-Börsen erzielen Rekorde. Wieso sind diese völlig abgekoppelt von der Realwirtschaft?
Ich glaube, die Wirtschaft ist besser, als sie wahrgenommen wird. Goldman Sachs und Microsoft haben erstaunliche Erfolgszahlen, die Kurse zeigen Zuversicht für die Zukunft an.
Disney will 12.000 Leute feuern. Klingt nicht nach Entertainment.
Disney hat Themenparks, aber es macht digital gutes Business.
China und Russland entgegenhalten
Der nächste Präsident muss Corona und Arbeitslosigkeit bekämpfen, aber nach Rassismus und Gewalt auch die Nation einen.
Und noch ein Thema mehr lösen: China. Lange schien es liberaler zu werden. Aber von Hongkong bis Himalaja sehen wir ein China, das man bremsen muss, ehe es übermächtig wird. Bei Russland ist dafür auch Europa gefordert. Als US-Diplomat in Europa blicke ich auch auf Konfliktherde wie Serbien und Kosovo oder Nordmazedonien. Dort wäre das von US-Präsident Woodrow Wilson vor 100 Jahren bejahte Referendum in Südkärnten ein Vorbild.
Den Botschafter nominiert immer der Präsident. Haben Sie die Koffer in Wien schon gepackt?
(Lacht). Nein. Ich wurde in anonymer Abstimmung im Senat von allen 100 Senatoren bestätigt. Ich diene Amerika ohne politischen Einfluss, um hier Österreich und die USA einander näher zu bringen. Solange mich Amerika benötigt, bin ich glücklich, den Job zu machen.
Adolf Winkler