Sieht man von Plexiglasscheiben ab, gegen deren Installierung sich Vizepräsident Mike Pence Anfang der Woche noch entschlossen gewehrt hatte, und vom coronabedingt fehlendem Händeschütteln zu Beginn, so schien das 90-minütige Duell zwischen dem Trump-loyalen, ultra orthodoxen Republikaner und der gemäßigten Demokratin und ehemaligen Generalstaatsanwältin Kamala Harris aus Kalifornien eine kurzzeitige Rückkehr zur politischen Normalität zu markieren. Anstelle von persönlichen Untergriffen, standen die politischen Agenden, die Innen- Wirtschafts- und Außenpolitik beider Seiten im Vordergrund. Auch gratulierte Pence Harris unerwartet zu ihrer historischen Nominierung.
Ein einziges Thema dominierte klar die Debatte: die Coronapandemie. Das war zu erwarten gewesen: Pence leitete die Corona-Task-Force im Weißen Haus und hat die Gefahr des Virus in den vergangenen Monaten immer wieder heruntergespielt. Auch sah man den Vizepräsidenten nur selten mit einer Maske seit Ausbruch der globalen Pandemie. Das Krisenmanagement der amtierenden Regierung gilt mit über 200.000 Toten im Land unter unabhängigen und demokratischen Wählern als Desaster. Kamala Harris schoss sich daher gleich am Anfang auf Pence und Trump ein. Das Krisenmanagement Trumps sei “das größte Versagen einer Regierung in der Geschichte des Landes,” unterstrich Harris.
Die Strategie von Pence fokussierte auf eine traditionelle Stärke der Republikaner: die Wirtschaft. Er stempelte Harris und Joe Biden als Marionetten der extremen Linken ab, die gezielt die Zerstörung des amerikanischen Kapitalismus betrieben. "Sie wollen unsere Wirtschaft begraben!”, meinte er. Die Demokraten wollten die Steuern erhöhen, fossile Brennstoffe abschaffen und das Fracking verbieten, warf Pence seiner Gegnerin vor. Vor allem der “Green New Deal”, eine progressive Initiative des linken Flügels der Demokratischen Partei, die der demokratische Herausforderer Trumps, Joe Biden ablehnt, erntete heftige Kritik von Pence.
Nur unter Trump würde die Wirtschaft ihre alte Stärke wiedergewinnen und expandieren.
Als entschiedener Gegner von Abtreibung, thematisierte der Vizpräsident die Ernennung der konservativen Richterin, Coney Barrett, zum Obersten Gerichtshofes. Ein klares Signal an die ultra-orthodoxe Rechte. Pences vielleicht rhetorisch effektivster Moment kam als er von der US-Militäroperation gegen den IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi berichtete und darauf hinwies, dass die Eltern der Menschrechtsakivistin Kayla Mueller, die in der Gefangenschaft des IS zu Tode kam (der amerikanische Einsatz gegen al-Baghdadi trug ihre Namen), im Publikum säßen und Trump Unterstützer seien.
Harris hingegen war am wirkungsvollsten, als sie vom Tod von Breonna Taylor erzählte, die von der Polizei in ihrem Bett erschossen worden war, und betonte, dass sie und Biden sich für Polizei-und Justizreform einsetzen würden. Neben der Pandemie und Gesundheitsreform, ist dies ein Kernthema unter Demokratischen Wählern.
Das Sprachrohr Trumps
Pence gilt als das moderate Sprachrohr Trumps und enttäuschte in dieser Hinsicht nicht. Er schaffte den verbalen Spagat ,auf der einen Seite mit milderen Worten als Trump Wechselwähler zu bedienen, und auf der anderen Seite Donald Trumps Kernwähler zufriedenzustellen. Das Gleiche gilt fuer Harris. Sie warb gekonnt um die verschiedenen Fraktionen ihrer Partei. Harris betonte zudem, dass sie und Biden sich für eine Politik der nationale Einheit einsetzen würden.
Keinen Sieger oder Verlierer
Letztendlich hatte die Debatte keinen Sieger oder Verlierer. Weder Pence noch Harris begingen einen grösseren Fehler. Beide schlugen sich wacker. Es gab aber auch keinen wirklichen “Breakout” Moment, wo sich einer der zwei profilieren konnte. Einen Einfluss auf den Ausgang der Wahl wird die Debatte kaum haben. Sie wird wohl in den Twitter-Stürmen des Präsidenten untergehen. Nach der chaotischen ersten Fernsehebatte zwischen Trump und Biden letzte Woche, war der verbale Schlagabtausch zwischen Pence und Harris wohltuende politische Standardware. Fast wirkte es so, als ob als Amerika inmitten eines regulären Präsidentschaftswahlkampfes sei und nicht in einer gefangen in einer beispiellosen politischen Schlammschlacht, eingebettet in eine globale Pandemie, Rassenunruhen, und wirtschaftliche Rezession.
Von unserem Korrespondenten Franz Stefan Gady aus New York