Das erste TV-Duell zwischen Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Bidenbegann ohne einen Handschlag. Das lag nicht an der Unsportlichkeit der beiden, sondern an den situationsbedingt verschärften Corona-Sicherheitsvorkehrungen, die es den Präsidentschaftskandidaten verbat, sich, die Hand zu schütteln. Vor nur 90 Live-Zuschauern, unter ihnen auch First Lady Melania Trump, fand das erste von drei Duellen unter der Moderation von Fox-News Anchorman Chris Wallace statt. Mit sechs, bereits im Vorfeld ausgewählten Themengebieten wurden Biden und Trump konfrontiert.
Trumps destruktive Rhetorik
Schon während des ersten Themas des Abends, dem obersten Gerichtshof und der Nominierung von Richterin Amy Barrett, wurde in dieser Debatte klar, welche Strategie Präsident Trump verfolgt: seinen Herausforderer so wenig wie möglich zu Wort kommen zu lassen. Fortwährende Unterbrechungen, vor denen sogar Fox-Nachrichtensprecher Chris Wallace nicht sicher war, machten dieses erste Duell mitunter mühsam mitanzusehen. Mehrfach musste Trump erinnert werden, „doch bitte auch sein Gegenüber aussprechen zu lassen“. Vereinzelt ignorierte er sogar Anweisungen des Moderators und wurde prompt von Wallace ermahnt: „Ich bin hier der Moderator!“
„Sleepy Joe“ wird zum Bully
Im Vorfeld von Trump mehrfach als „sleepy Joe“ bezeichnet, zeigte sich der ehemalige Vizepräsident Joe Biden heute als ungewohnt schlagfertig und ging sehr häufig in die Offensive. „Will you shut up, man?“ fragte er Trump während des zweiten Segments, in dem die beiden Kandidaten zum Umgang mit der Corona-Pandemie befragt wurden, ob er nicht einmal still sein könne. „Das ist nicht präsidenthaft“, sagte Biden und bezeichnete sein Gegenüber im weiteren Verlauf des TV-Duells mehrfach als „Lügner“, „Clown“ und „Putins Schoßhündchen“. Diese Rollenverteilung konnte so nicht erwartet werden, galt Trump doch spätestens seit seinen TV-Duellen mit Hillary Clinton, während der letzten Präsidentschaftswahl, als der deutlich aggressivere Rhetoriker unter den beiden Kandidaten.
Fakten oder "Fake News"
Moderator Chris Wallace hatte bereits im Vorfeld angekündigt, während der Debatte keine Fakten checken zu wollen. Biden unternahm gelegentlich Versuche dies in seiner Sprechzeit zu tun. So zum Beispiel als er Trump während des dritten Themenblocks zur US-Wirtschaft mit dem Bericht der „New York Times“ über Trumps fehlende Bundessteuern konfrontierte. Das seien „fake news“ denn er hätte „Millionen von Dollar an Bundessteuern bezahlt“, entgegnete Trump. Dass er es mit dieser und anderen Aussagen nicht immer so genau mit der Wahrheit nahm, wurde live von „Fact Checkern“ verschiedener amerikanischer Medien überprüft. Immer wieder sah man zum Beispiel im Live Ticker der „New York Times“ Meldungen, dass Trumps Aussagen „falsch“, „übertrieben“ oder „unerwiesen“ seien.
„Law and order“ gegen die „radikale Linke“
Beide Kandidaten schafften es mitunter geschickt den Fragen von Chris Wallace auszuweichen, oder sie zumindest zu ihren Gunsten zu drehen. So wurde der amtierende Präsident während des vierten Themenbereiches, in dem sich die Fragen um soziale Gewalt und systemischen Rassismus in Amerika drehten, gefragt, ob er „white supremacy“, also die weiße Vorherrschaft, verurteile. Trump wich der Frage gekonnt aus, und warf im Gegenzug Biden vor, dass die „radikale Linke ihn um den Finger gewickelt hätte“, und das wahre Problem sei.
Biden und seine Schwachstelle
Als im fünften Themenbereich die politische Historie der beiden Kandidaten aufgearbeitet wird, kam Joe Bidens bereits erwartete Schwachstelle zum Vorschein: Seine Söhne Beau, der 2015 einer langjährigen Krebserkrankung erlegen ist, und Hunter, dem geschäftliche Verstrickungen mit China und der Ukraine nachgesagt werden, verteidigte er vehement gegen Trumps Angriffe. Auch wenn er seine Ruhe weitgehendst bewahren konnte, ließ Joe Biden oft Prägnanz in seinen Antworten vermissen. Obwohl er sich immer wieder mit seinen Botschaften wie „Gehen Sie wählen“, direkt an die Zuseher wandte, blieb unterm Strich inhaltlich nicht viel Verwertbares.
„Interessante 90 Minuten“
Das letzte Segment, in dem die Integrität der bereits laufenden Wahl thematisiert wurde, war noch einmal sinnbildlich für diese „ungewöhnliche“ Debatte. Biden gelang es abermals nicht vollends mit seinen Antworten zu überzeugen. Auf die abschließende Frage von Chris Wallace ob die beiden Kandidaten „ihre Wähler auffordern werden, gelassen zu bleiben“ bis auch alle Wahlkarten ausgezählt werden, wich Trump abermals aus. Als Wallace die erste Debatte schließen wollte, unterbrach ihn Donald Trump noch ein abschließendes Mal, bevor der Moderator sich bei den beiden Kandidaten für die "interessanten 90 Minuten" bedankte.
Beide Kontrahenten konnten in diesem ersten TV-Duell nicht unbedingt überzeugen. Stattdessen ist die Debatte oft zu einem wüsten Showkampf ausgeartet. „Die Verlierer sind die Wähler“, schrieb Lisa Lerer von der „New York Times“ Minuten nach der Debatte. Joe Biden zeigte sich von seiner bissigeren Seite, möglicherweise um noch unentschlossene Wähler davon zu überzeugen, dass er doch nicht so verschlafen ist. Donald Trump blieb seiner Linie weitestgehend treu und sorgte vor allem bei seinem Zielpublikum der rechten Szene für Jubelrufe.
Jakob Illek