In der vermutlich chaotischsten TV-Konfrontation der jüngeren US-Geschichte trafen am Dienstag US-Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden aufeinander. Kurz nach Beginn lieferten sich die beiden bereits den ersten Schlagabtausch. Besonders Trump unterbrach ständig und musste laufend vom Moderator zur Ordnung gerufen werden."Ich bin der Moderator der Debatte, und ich möchte, dass Sie mir erlauben, meine Frage zu stellen", sagte Chris Wallace, als Trump ihm beim Thema Krankenversicherung immer wieder ins Wort fiel.
Inhaltlich brachte die von Anschuldigungen und Beleidigungen geprägte Debatte nichts Neues, Trump weigerte sich erneut zuzusagen, dass er das Ergebnis der Präsidentschaftswahl unabhängig vom Ausgang anerkennen werde. Er malte einmal mehr das Szenario von massiven Betrug bei Briefwahlen und wich der Frage aus, ob er eine Niederlage akzeptieren würde. Biden kündigte an, er werde jeden Ausgang der Wahl akzeptieren. Umfragen zufolge wollen deutlich mehr Anhänger Bidens als Trumps per Post abstimmen. Die verbreitete Briefwahl könnte dazu führen, dass in der Wahlnacht noch kein Sieger feststeht.
Trump sagte nach der Rüge durch den Moderator wegen des ständigen Unterbrechens an Wallaces Adresse: "Ich schätze, ich debattiere mit Ihnen, nicht mit ihm. Aber das ist okay, ich bin nicht überrascht." Als Trump Biden immer wieder unterbrach, forderte Wallace den Präsidenten auf: "Können Sie ihn aussprechen lassen?" Biden warf mit Blick auf Trump ein: "Er weiß nicht, wie das geht."
Respektierter Moderator
Wallace kommt vom Trump-freundlichen Fernsehsender Fox News, ist aber weit darüber hinaus als unabhängig respektiert. Trump sagte Fox-News-Radio am vergangenen Donnerstag über Wallaces Moderation bei der Debatte: "Ich bin bereit dazu zu wetten, dass er Biden keine harten Fragen stellen wird. Er wird mir harte Fragen stellen." Er sei überzeugt davon, dass Wallaces Moderation "unfair" werde. "Er wird von der radikalen Linken kontrolliert werden."
Wallace machte zur Einleitung der Debatte bei der Debatte in der Case Western Reserve University in Cleveland (Ohio) klar, dass kein Kandidat die Fragen vor der Debatte einsehen durfte. Er belehrte zudem das Publikum, sich ruhig zu verhalten. Keine Buh-Rufe oder Jubel.
Mit einem lebhaften Schlagabtausch über die Neubesetzung einer freien Stelle am Obersten Gericht der USA begann die Debatte. Der Amtsinhaber sagte zu seiner Nominierung der konservativen Richterin Amy Coney Barrett: "Wir haben die Wahl gewonnen und deswegen haben wir das Recht, sie auszuwählen."
Debatte über Oberste Richterin
Herausforderer Biden forderte hingegen, mit der Besetzung der Stelle bis Februar 2021 zu warten, "weil wir mitten in einer Wahl sind, die bereits begonnen hat". Beide Kandidaten stritten daraufhin über Themen, die schon bald dem Supreme Court zur Entscheidung vorgelegt werden könnten. Trump warf Biden vor, seine Demokratische Partei strebe eine sozialistische Gesundheitsversicherung an. Mit Blick auf die von Expräsident Barack Obama eingeführte Gesundheitsversorgung sagte Trump: "Obamacare ist eine Katastrophe, das ist zu teuer." Biden konterte in der Debatte mit einer Frontalattacke gegen Trump, warf ihm Lügen vor und sagte, Trump sei keine Hilfe für die vielen Menschen, die auf eine bezahlbare Gesundheitsversorgung angewiesen seien.
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie warf Biden Trump vor, "keinen Plan" zu haben. Der Demokrat rief den Präsidenten dazu auf, aus seinem "Bunker" und von seinem Golfkurs zu kommen und Leben zu retten. Trump entgegnete, China sei Schuld an dem Virus. Wenn man auf Biden gehört hätte, wären die USA "weit offen gewesen". Er aber habe das Land "geschlossen" und einen "großartigen Job" beim Umgang mit der Pandemie gemacht. Wiederholt fiel Trump Biden ins Wort und nannte ihn unter anderem "eine Katastrophe". Biden warf Trump vor, vollkommen unverantwortlich gewesen zu sein, zu lügen und im Angesicht der Pandemie in "Panik geraten" zu sein.
Heftige Attacken
Schon ab der ersten Frage ging es zwischen den beiden Kandidaten hoch her. Während Biden Trump meist ausreden ließ, fiel der Präsident seinem Herausforderer ständig ins Wort. Der ehemalige Vizepräsident wies den Präsidenten zwischendurch deswegen zurecht: "Würden Sie die Klappe halten?" und beschwerte sich eine Frage später bei Wallace: "Es ist schwierig, hier zu Wort zu kommen mit diesem Clown!" Allerdings konterte auch Biden zum Teil mit harten Bandagen: "Sie sind der schlimmste Präsident, den Amerika jemals hatte!“ und nennt ihn "Lügner" und "Dummkopf". Trump hingegen warf seinem Kontrahenten vor, er verfolge eine linksradikale Politik und betonte: "Du hast in 47 Jahre nichts erreicht."
Biden bezeichnete Trump zudem als "Rassisten". Der Kandidat der Demokratischen Partei hielt Trump vor, er habe nach dem Tod von George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz Ende Mai versucht, "rassistischen Hass zu erzeugen, rassistische Spaltung".
"Super-Raubtiere"
Trump reagierte darauf mit der Anschuldigung, Biden habe die Black Community, die Gemeinschaft der Schwarzen in den USA, schlechter behandelt als jeder andere und sie als "Super-Raubtiere" bezeichnet. Biden rief dazu auf, Kindern welcher Hautfarbe auch immer endlich umfassende Chancengleichheit zu ermöglichen. "Wir können den Rassismus in Amerika überwinden." Aber Trump schaue auf alle herab, die kein Geld oder eine andere Hautfarbe hätten.
Zu den teilweise gewaltsamen Unruhen im Anschluss an den Tod von George Floyd in Minneapolis sagte Trump, die Regierung habe dort wieder für Ruhe gesorgt, "weil wir an Recht und Ordnung glauben - und du tust das nicht, Joe", fügte der Präsident hinzu.
Bei den Unruhen in Portland und Kenosha handle es sich um ein Problem von links, nicht von rechts. Biden betonte erneut: "Gewalt ist nie richtig, nur friedlicher Protest ist es." Wenn er zum Präsidenten gewählt würde, wolle er Bürgerrechtsgruppen und Polizeibehörden im Weißen Haus zusammenbringen und auf eine Überwindung der Spaltung hinwirken.
Trump weigerte sich auch neuerlich, Rechtsradikale und bewaffnete rechte Gruppen eindeutig zu verurteilen. "Fast alles, was ich sehe, ist vom linken Rand, nicht vom rechten Rand", sagte er. Auf Drängen von Morderator Chris Wallace sagte Trump schließlich, diese Gruppen sollten sich zurückhalten, distanzierte sich aber nicht direkt von ihnen, sondern griff die linke Gruppierung Antifa an: "Jemand muss etwas gegen Antifa und die Linke tun, weil dies kein Problem des rechten Flügels ist, sondern ein Problem des linken Flügels".
Bester Präsident der Geschichte
Biden nutzte den Wirtschaftsteil der ersten TV-Debatte, um sich direkt an die Wähler zu wenden. In der Corona-Krise sei es Millionären und Milliardären wie Trump gut ergangen, "aber Ihr Leute zuhause, wie geht es Euch?", sagte Biden in die Kamera. Es ist eine klassischer Zug in TV-Debatten in Amerika seit der damalige Kandidat 1979 die Zuschauer aufrief, darüber nachzudenken, ob es ihnen besser gehe als vor vier Jahren.
Trump wiederholte unterdessen seine Darstellung, dass er die beste Wirtschaft in der Geschichte des Landes aufgebaut habe, bevor das Coronavirus sie weitgehend zum Stillstand gebracht habe. Jetzt baue er sie wieder auf. Biden entgegnete: "Man kann die Wirtschaft nicht in Ordnung bringen, bevor man die Corona-Krise löst."
Genauso wie bei anderen Themen rutschte das Streitgespräch auch beim Wirtschaftsthema oft in ein chaotisches Wortgefecht ab, in dem Trump und Biden durcheinander sprachen.
Insgesamt sind drei TV-Debatten zwischen Trump (74) und Biden (77) geplant. Das zweite Streitgespräch ist für den 15. Oktober (16. Oktober, 3.00 Uhr MESZ) in Miami im Bundesstaat Florida geplant. Die letzte Debatte vor der Wahl soll am 22. Oktober (23. Oktober, 3.00 Uhr MESZ) in Nashville (Tennessee)