Heute Abend (amerikanischer Zeit) ist es soweit: In Cleveland, Ohio, treffen sich US-Präsident Donald Trump und sein Herausforderer, Ex-Vizepräsident Joe Biden, zu ihrem ersten TV-Duell: Trump und Biden begegneten einander dem Vernehmen nach nur einmal zuvor persönlich: bei Trumps Amtseinführung im Jänner 2017. Das hielt aber in den letzten Wochen keinen der beiden Kandidaten davon ab, sich gegenseitig persönlich aus der Distanz zu attackieren.

So stellte der Präsident noch am Wochenende in den Raum, dass Biden bei der heutigen Debatte unter Drogen stehen wird, und er forderte den Demokraten auf, sich einem verpflichtenden Drogentest zu unterziehen. Bidens Team erklärte daraufhin, man argumentiere lieber mit Worten statt mit Urin.

Ein heißer politischer Schlagabtausch, geprägt von persönlichen Untergriffen, steht uns also mit Sicherheit bevor. So gut wie alle TV-Sender werden die 90-minütige Debatte, moderiert von Fox News Nachrichtensprecher Chris Wallace, live übertragen.

Der Enthusiasmus unter der amerikanischen Wählerschaft und den Medien für die Debatte scheint dieses Jahr jedoch überschaubar. Wurde 2016 noch Wochen vor dem ersten Duell über die kleinsten Details der Debattenvorbereitungen der beiden Teams berichtet und spekuliert, drängen diesmal Corona, die Waldbrände sowie die Besetzung am Supreme Court alles andere in den Hintergrund.

Laut einer Erhebung von NBC und „Wallstreet Journal“ im September sind für 44 Prozent der amerikanischen Wähler und Wählerinnen die Debatten „in keiner Weise wichtig,“ während nur 18 Prozent die drei TV-Duelle als „sehr wichtig“ für ihre Wahlentscheidung einstufen. Auch sollte man nicht vergessen, dass Trump alle drei Debatten gegen Hillary Clinton 2016 verlor, aber die Wahl gewann.

Dennoch darf der Einfluss der Debatten nicht unterschätzt werden. Sie gelten als letzte große Herausforderung vor dem Wahltag am 3. November. Mehr als 80 Millionen Zuseher und Zuseherinnen könnten sich das Duell am Dienstag ansehen. Eine einmalige Chance für die Kandidaten also ihre Wahlkampfprogramm einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Das TV-Duell wird in sechs Themenblöcken zu je 15 Minuten unterteilt sein, alle mit aktuellem Hintergrund.

Neben der jeweiligen politischen Vergangenheit und den Leistungen der beiden Kandidaten, werden der Oberste Gerichtshof, die Coronavirus-Pandemie, Rassenunruhen und Gewalt in den Städten, die anhaltende wirtschaftliche Rezession, sowie der Schutz vor Wahlbetrug diskutiert werden.

Grundsätzlich kann man erwarten dass Trump, der in den Umfragen hinten liegt, alles versuchen wird, Biden durch persönliche Attacken aus der Fassung zu bringen um den ehemaligen Vizepräsidenten zum Stottern zu verleiten und zu rhetorischen Ausrutschern, für die Biden bekannt ist, die dann gut auf den sozialen Medien ausgeschlachtet werden können. Trump wird mit Sicherheit versuchen, Biden und seine Familie als Teil des korrupten politischen Systems in Washington zu diskreditieren, und den Demokraten gleichzeitig mit radikalem linkem Gedankengut in Verbindung bringen.

Bidens Strategie, als Favorit, hingegen ist nicht so sehr die Debatte aggressiv zu gewinnen, sondern vielmehr, sie nicht in den Augen der Medien zu verlieren.

Er wird sich daher eine Strategie zurechtgelegt haben um die vielen Unwahrheiten die der Präsident von sich geben wird zu parieren. Gleichzeitig wird er vermutlich immer wieder darauf hinweisen, dass Trump trotz Wahlniederlage womöglich nicht freiwillig das Weiße Haus im Jänner 2020 verlassen wird und daher eine direkte Gefahr für die amerikanische Demokratie und ihren Institutionen darstellt. Er wird sich ebenfalls bemühen von „Bully“, wie er Trump nennt, nicht eingeschüchtert zu wirken.Das Hauptziel wird aber sein das Demokratische Wahlprogramm klar und deutlich dem amerikanischen Volk zu präsentieren.

Das erste Duell wird wohl das Entscheidendste für die Kandidaten sein, danach sinkt das öffentliche Interesse, obwohl die Zahl an unentschlossenen Wählern dieses Jahr so gering wie selten zuvor ist. Außerdem haben bereits 860.000 Wahlberechtigte, die Mehrheit Demokraten, ihre Stimme abgegeben. 2016 waren es zum gleichen Zeitpunkt nur an die 10.000.

Der vielleicht wichtigste Vorteil Bidens gegenüber Trump wird sein, dass der Präsident es nicht mehr gewohnt ist zu debattieren. Im Weißen Haus ist er umgeben von Ja-Sagern. Eine 90- minütige Debatte in der er direkt von einem Kontrahenten konfrontiert wird, könnte ihn in Bedrängnis bringen. Letztendlich sollte man aber nicht vergessen, das Trump Reality TV Star war und nach wie vor weiß, wie man sich vor dem Bildschirm in Szene zu setzen hat. Für die eine oder andere inszenierte TV-Überraschung könnte der Präsident also heute Abend und in den nächsten drei Wochen durchaus sorgen.