Es ist 21.01 Uhr Ortszeit, als der Superstar auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee, Wisconsin auftaucht: Donald J. Trump. Verbundes Ohr nach dem knapp danebengegangenen Attentat, zufriedenes Grinsen, geballte Faust. Der nächste Präsident der USA, so wird er angekündigt, während die Delegierten „USA! USA! USA!“ rufen und patriotische Musik spielt. Neben Trump steht sein frisch ernannter Vize J.D. Vance, der mit Trump für die Präsidentschaftswahl nominiert wurde. Auch Mike Johnson, der Sprecher des Repräsentantenhauses ist hier.

Welche Folgen das Attentat auf Trump für die USA hat

Donald Trump beim Parteitag
Donald Trump beim Parteitag © AP / Paul Sancya

Es ist der erste öffentliche Auftritt von Trump nach dem Attentat vom Samstag, das ihn kein bisschen abgeschreckt hat, und die Delegierten jubeln ihm zu. Die Atmosphäre ist siegessicher und emotional. Ob der Wahlkampf weniger zerstritten und feindselig wird, bleibt abzuwarten. Und Vance ist dafür keine Garantie.

Bestseller-Autor und „wendiger Karrierist“

Vance, von der Washington Post die „Stimme des Rust Belts“ genannt, präsentiert sich als Mann aus dem konservativen, ländlichen Volk, eben die Leute, die sich von den Demokraten und den urbanen Eliten vernachlässigt fühlen. Sein Leben beschrieb er in dem Bestseller „Hillbilly Elegy“, das erfolgreich verfilmt wurde.

Die New York Times hält Vance für einen wendigen, gewissenlosen Karrieristen und schrieb, dass sich Trump mit dem fast 40 Jahre jüngeren Senator einen Nachfolger ausgeguckt habe, der sein Lebenswerk weiterführe. US-Präsident Joe Biden nannte Vance einen „Trump-Klon“. Ob das schadet, darf man bezweifeln.

Der 39-jährige Vance wuchs in Middletown, Ohio auf, eine Kleinstadt in den Appalachen, eine bergige, arme Gegend, die als Symbol für das rückständige, arme Amerika gilt, geplagt von Arbeitslosigkeit und Opioids, süchtig machenden Schmerzkillern. Auch seine Mutter hatte Drogenprobleme. Sie ließ sich von seinem Vater scheiden; Vance wurde von der Großmutter aufgezogen, die ihn oft schlug. Er studierte Jura und ging dann als Kommunikationsspezialist mit dem Militär in den Irak. Zuletzt arbeitete er im Finanzsektor von Silicon Valley mit Peter Thiel. Der, aber auch Elon Musk wollen Vance im Wahlkampf nun finanziell unterstützen.

Vom Kritiker zum Unterstützer

Dass Trump Vance nominiert hat, war keine große Überraschung. Gleichwohl, der Senator von Ohio war früher ein harter Kritiker von Trump. Als der Präsident 2016 antrat, nannte Vance ihn einen „Idioten“, ein „zynisches Arschloch wie Nixon“ sowie „kulturelles Heroin“ und verglich ihn privat mit sogar Hitler.

Welche Folgen das Attentat auf Trump für die USA hat

Inzwischen haben die beiden sich zusammengerauft, angefangen damit, dass Vance den Präsidenten beim Aufstand vom Januar 2020 unterstützt hat. Vance hat sich auch mit Trumps Sohn Don. Jr. befreundet, der ebenfalls auf dem Parteitag ist. Denn Trump und Vance sind beides Populisten und Isolationisten. Er habe erst spät verstanden, dass er mit Trump keine Differenzen im Inhalt habe, sondern nur im Stil, sagte er damals. Vance ist beispielsweise dagegen, die Ukraine im Krieg gegen Russland finanziell zu unterstützen, wohl aber Israel im Kampf gegen die Hamas.

Konservativer Abtreibungsgegner

Vance tritt gegen Freihandel auf, der die Arbeiter in Amerika ausplündere und wendet sich gegen Immigration, obwohl er mit einer indisch-stämmigen Frau verheiratet ist. Der konservative Christ, der kürzlich zum Katholizismus konvertierte, ist auch Abtreibungsgegner, auch in Fällen von Vergewaltigung und Inzest.

Vance wird von dem rechtspopulistischen Journalisten Tucker Carlson unterstützt, der ebenfalls auf dem Parteitag ist, an Trump aber fast grußlos vorbeilief — die beiden hatten sich überworfen, als wenig schmeichelhafte E-Mails von Carlson über Trump bekannt wurden. „Vance versteht, warum Trump kandidiert“, sagt Carlson einmal. Auch mit dem früheren Trump-Berater Steve Bannon ist er befreundet. Dass er in der Lage ist, Spendengelder für Trump zu mobilisieren, half ihm ebenfalls.

Gewerkschaftschef als Hauptredner

Vance sprach gestern nicht. Der Hauptredner war Sean O‘Brien, der Präsident der Teamster, der mächtigen Gewerkschaft der Transportarbeiter, sehr ungewöhnlich, denn die Teamster sind traditionelle Verbündete der Demokraten. Es sei eine Ehre, nach mehr als 100 Jahren der erste Teamster-Präsident zu sein, der vor einem republikanischen Parteitag spreche, sagte O‘Brien, dessen Rede so klang, als spreche Lenin, falls Lenin ein nationalistisch gesinnter Amerikaner gewesen wäre.

O‘Brien wetterte gegen gigantische multinationale Konzerne wie Amazon, die keine Loyalität für Amerika hätten, die „Eliten in Washington“ und die großen Zeitungen, die den amerikanischen Arbeiter missachteten, während die Mieten, die Hauspreise, die Benzinpreise, die Aktienkurse und die Gehälter der Bosse stiegen. Arbeitende Amerikaner hingegen würden von Banken und den Tanks ausgebeutet.

Dann wandte er sich Trump zu: Der habe am Samstag bei dem Attentat bewiesen, dass er ein „zäher SOB (Son of a bitch) sei. Der Angesprochene saß derweil auf der Tribüne und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Bald darauf verließ Trump die Arena, umjubelt von seinen Fans. Am Donnerstagabnd wird er wieder auftreten; seine vorbereitete Rede aber habe er zerrissen, und schreibe sie gerade neu. Für die Demokraten muss das ein Abend zum Fürchten gewesen sein.