Gegen 17:00 Uhr New York-Zeit erhalte ich eine Push-Benachrichtigung auf meinem Smartphone: „Donald Trump in allen 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen.“ Das Bezirksgericht, in dem Nummer 45 der Prozess gemacht wird, ist nur 2 Blocks von meinem Hotel in Tribeca entfernt. Ich entscheide mich spontan, den angebrochenen Nachmittag zu nutzen, um mich dem Trubel rund um eine der wohl umstrittensten Persönlichkeiten unserer Zeit hinzugeben, einzutauchen in den Zirkus, der für ein europäisches Gehirn schwer zu fassen ist: die amerikanische Innenpolitik.
Zwischen Chinatown, Tribeca und Lower Manhattan liegt das Gerichtsgebäude von Manhattan. Die Szenerie ist geprägt von Übertragungswagen und Reportern, die das Geschehen um Donald Trump aufmerksam verfolgen. Abseits von Reportern haben sich etwa 50 Personen auf dem Gelände versammelt. Die Stimmung ist nach dem Urteil zunächst ruhig, nur einige laute Trump-Gegnerinnen und Gegner sorgen für Aufsehen. „Lock him up!“, skandieren sie, „Sperrt ihn ein“ also. Auch „Gerechtigkeit, Gerechtigkeit“ ist immer wieder hörbar. Zu diesem Zeitpunkt sind wenige rote Kappen zu sehen.
Inmitten des Parks platziere ich mich vor einer Absperrung und beobachte das Geschehen. Ein deutscher Kollege von der dpa ist ebenfalls vor Ort und berichtet aus nächster Nähe über die Atmosphäre im Gerichtssaal. „Sowohl Trump als auch seine Anwälte wirkten den ganzen Verhandlungstag über gelassen“, erzählt er. Und weiter: „Diese Gelassenheit fand ein jähes Ende als der Richter, zur Überraschung aller Anwesenden, ein Urteil für den heutigen Tag ankündigte.“ Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg plant eine Pressekonferenz für 18:30 Uhr, während Trump das Gerichtsgebäude bereits verlassen hat.
Die Dynamik im Park nimmt langsam zu, als die Gegensätze zwischen den Trump-Unterstützern und -Gegnern deutlicher hervortreten. Helikopter sorgen für eine laute Geräuschkulisse über Manhattan, während hitzige Diskussionen zwischen den beiden Lagern entstehen. Eine Gruppe von MAGA-Anhängern zeigt demonstrativ ihre Unterstützung für Trump, während ihm gegenüber eine Gruppe von Kritikern lautstark ihre Position vertritt.
„Es ist eine Hexenjagd!“
Ein Trump-Unterstützer ergreift das Wort und erzählt das Trump Narrativ in diesem Verfahren: Trump, der politisch Verfolgte. Der Mann, den die Eliten rund um den amtierenden, demokratischen Präsidenten Joe Biden mit aller Macht aufhalten, ja loswerden wollen. Gegenüber steht ein Mann, der ein Buch über Jesus hochhält und Trump als Person in moralischer Notlage darstellt, die auf den rechten Weg zurückfinden muss. Die Atmosphäre im Park wird zunehmend aufgeladener.
Die Gespräche sind geprägt von Polemik und Populismus, wobei der politische Dialog zwischen den Lagern ausbleibt. Auch die Pressekonferenz des Bezirksstaatsanwalts Alvin Bragg wird schließlich nach innen verlagert, während die Diskussionen im Park langsam abklingen. Der Medienrummel, die hitzigen Debatten zeigen, dass der Prozess um Donald Trump viele Emotionen hervorgerufen hat, und in Amerika dieser Tage beinahe alles politisch ist, außer die Politik.