„Wir sind eine echt diverse Versammlung hier“, sagt Joe, der im Künstlerstadtteil Chelsea wohnt und nickt zufrieden. Bei ihm stehen Juan, ein Ökonom aus Mexiko, zwei chinesische Frauen aus Kew Gardens, Queens, und ein paar jiddisch-sprechende Orthodoxe aus Flatbush, Brooklyn. Zu ihnen gesellt sich Ken aus dem West Village. In seinem Wohnhaus gebe es nur zwei Republikaner, sagt er. Er und seine Frau.

 Die Chinesinnen wollen für Trump stimmen, weil die Kriminalität so gestiegen sei. Erst vor einer Woche sei in Queens ein Lieferjunge erstochen worden. Die Orthodoxen finden es gut, dass er Bibi Netanyahu unterstützt. Joe hofft, dass er die Masseneinwanderung beendet, und Ken sorgt sich um die Wirtschaft. Juan stimmt ihm zu. „Als ich in die USA gekommen bin, war ich schockiert über die Korruption.“ Ähnlich denkt Margarita Rosario, die in der Bronx lebt. „Trump war der großartigste Präsident, den wir je hatten“, meint sie. „My man Trump“, steuert ein schwarzer T-Shirt-Verkäufer bei. Der Präsident sei kein Rassist, da sind sich alle einig.

© Eva Schweitzer

Wir sind in der Bronx auf einer Demonstration für Donald Trump, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Es ist sein erster Auftritt in seiner Heimatstadt seit acht Jahren. Crotona Park, wo er spricht, liegt nahe einem Viertel namens „Little Yemen“; hier ist der Wahlbezirk der Kongress-Linksaußen Alexandria Ocasio-Cortez. Am Ende seiner fast zweistündigen Rede wird Trump Rubén Díaz aus Puerto Rico auf die Bühne holen, der als Senator für die Demokraten einst die Bronx vertreten hat.

Auch zwei schwarze Republikaner stehen neben ihm. Die Rally soll Stimmen bei Afroamerikanern und Latinos einwerben, die fest bei den Demokraten verortet werden. Bei den Schwarzen führt Biden immer noch mit 63 Prozent. Aber das ist ein historisch niedriger Wert. Trump liegt nun bei 17 Prozent, doppelt so viel wie 2016 und bei den Latinos noch höher. Schwarze und Latinos, sagt er in seiner Rede, litten am meisten unter den illegalen Immigranten, die ihnen die Jobs wegnähmen.

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Nur 3500 Demonstranten hat die New Yorker Polizei zugelassen, viel mehr sind hier. Sie drängeln sich vor den Einlasstoren, vergebens, und hören derweil Trumps Rede live auf dem Handy. Trump erinnert daran, dass er der erste Präsident seit 78 Jahren war, der keinen Krieg angefangen hat. Seine Vorgänger hingegen hätten grundlos den Irak bombardiert, viele Menschen umgebracht, zehn Trilliarden Dollar habe das gekostet und wozu? Jetzt habe der Iran im Mittleren Osten das Sagen.

Ob seine Fans sich nicht an den Skandalen stoßen, an Stormy Daniels, frage ich? „Alles Wahlkampf“, sagt Ken. Stormy habe Trump erpresst, und letztlich gehe es um einen Buchhaltungsfehler. „Klar hatten die Sex“, meint Joe. „Aber wir stimmen ja nicht für einen neuen Papst. So war Trump immer schon.“ Dann versuchen wir uns gemeinsam zu erinnern, wie seine zweite Frau hieß, mit der er Ivana betrogen hat. „Marla Maples“, ruft eine blonde Frau mit Nasenring zu uns hinüber. Sie erzählt uns, dass die Tickets für den Trump-Prozess auf dem Schwarzmarkt 5000 Dollar kosten.

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Und die Wahlfälschung? „Die schummeln alle“, sagt Kent. „Wir haben hier ein ganz undurchsichtiges Wahlsystem, keine Wahlzettel aus Papier, wie in Europa.“ Aber der Wirtschaft gehe es doch gut; Amerika hat Vollbeschäftigung, wende ich ein. „Stellen gibt es in der Regierung und in der Gesundheitsverwaltung, auch noch im Tourismus und der Gastronomie, aber da arbeiten fast nur Immigranten“, sagt Ken. „Im IT-Sektor aber werden gerade massiv Stellen abgebaut“. Und zudem seien die Preise explodiert. Ins Restaurant zu gehen, könne sich niemand mehr leisten.

Trump spricht immer noch über Immigration. Als Präsident habe er die Grenzen dichtgemacht, aber unter Biden hätten die Länder der ganzen Welt ihre Gefängnisse geöffnet und ihre Kriminellen in die USA geschickt, vor allem Venezuela. Nichts davon ist wahr, aber seine Zuhörer jubeln. „Solche Zustände wie bei Merkel in Deutschland wollen wir hier nicht haben“, sagt Joe. Ken nickt. „Wir sind ein Land von Einwanderer, aber es müssen schon die richtigen Einwanderer sein, nicht die Millionen, die unkontrolliert über die Grenze kommen.“

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Auf dem Hügel gegenüber ballen sich Trump-Gegner, Plakate schwenkend, auf denen „Fuck Trump“ steht. Polizei zieht auf. Am Rande des Parks, nahe den Ständen, die T-Shirts mit Trumps Polizeifoto verkaufen, zirkelt ein Lastwagen mit einer Werbeleinwand, die über den „uralten“ Joe Biden spottet. Trump, derweil, verspricht, die New Yorker U-Bahn zu renovieren und die Parks von kriminellen Immigranten zu säubern. Damit Amerikas Kinder wieder Baseball spielen können.