Es war eine lange Nacht. Bis 4.00 Uhr früh verhandelte die Regierung bei ihrer Klausur in Mauerbach die letzten Details jener Vorhaben, mit denen ÖVP und Grüne das letzte Drittel der gemeinsamen Zusammenarbeit angehen wollen - und wohl auch ihr angeknackstes Image retten. Zwar betonte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), dass weder er, noch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sich mit dem Image beschäftigen würden, sondern mit Lösungen für drängende Probleme. Aber allen Beteuerungen zum Trotz: die schlechten Umfragewerte der türkis-grünen Koalition gehen auch an der Regierungsmannschaft nicht spurlos vorüber.
Und so galt die zweitätige Arbeitsklausur (der erste Tag fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt) nicht nur der Kommunikation nach außen, sondern auch dem Teambuilding. "Es war erfrischend, uns einmal in diesem Forum auszutauschen", beschreibt es ein Teilnehmer gegenüber der Kleinen Zeitung. Statt klassische Powerpointpräsentationen abzuhalten, versammelten sich die Ministerinnen und Minister am Dienstag um Themeninseln, an denen jede und jeder den Kollegen die wichtigsten Themen des Ressorts näherbrachte.
Dabei setzte jeder auf ganz eigene Überzeugungstechniken: Digitalisierungsstaatssekretär Tursky tauschte den Flipchart gegen einen mannsgroßen Touchscreen. Landwirtschaftsminister Totschnig reichte Brötchen mit Speck und Käse. Und Innenminister Karner stellte als einziger Sessel bereit - sein Stand soll am besten besucht worden sein.
Danach ging es ans Verhandeln, um letzte Details festzuzurren. Am Mittwochvormittag wurden die Ergebnisse präsentiert.
Was beschlossen wurde:
- Große Projekte wie etwa Windparks müssen aufwändige Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) durchlaufen. Deren Dauer soll eine Novelle verkürzen, die schon im Herbst beschlossen werden sollte. Nun hat sich die Regierung geeinigt: Unter anderem soll es in den Verfahren künftig keine Doppelprüfungen mehr geben. Laut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei dies wichtig, auf Wasser, Sonne und Wind zu setzen, um die Unabhängigkeit des Landes weiter zu fördern.
- Zudem einigte man sich auf einen verstärkten Ausbau für Photovoltaik-Anlagen (mit 600 Millionen Euro Förderung und vereinfachten Bedingungen), für Photovoltaikanlagen auf versiegelten Flächen braucht künftig gar keine Genehmigungen mehr.
- Auch der Ausbau der Biogasproduktion im Land wurde beschlossen. "Der Misthaufen soll zum Kraftwerk werden", erklärte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und sprach von der Zündung eines "Erneuerbaren-Turbos" im kommenden Jahr.
- Aus Mauerbach heraus erhebt die Regierung Einspruch gegen das burgenländische Raumordnungsgesetz. Dieses widerspricht aus Sicht der Regierung den Zielen des Erneuerbaren-Ausbaus.
- Der Bildungsbonus wird verlängert, erhöht und ausgeweitet. Laut Wirtschaftsminister Martin Kocher soll zudem die geblockte Altersteilzeit schrittweise abgeschafft werden.
Was noch kommen wird:
- Strengere Antikorruptionsgesetze wurden mehrfach angekündigt, die Ibiza-Affäre hatte hier entsprechende Lücken offenbart. In die Umsetzung kamen sie nie. Der Freispruch von Heinz Christian Strache in zweiter Instanz gab dem Thema ganz aktuelle Brisanz. Kanzler Nehammer verkündete nun, dass Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bereits morgen die lange versprochene Reform des Antikorruptionsstrafrechtes präsentiert werden.
Was auch diskutiert wurde:
- Energie-Sicherheit ist das große Thema der Regierungsklausur. Die staatliche Reserve an Erdgas musste noch nicht angegriffen werden. Im Raum steht eine Ausweitung dieser strategischen Reserve im Hinblick auf den nächsten Winter.
- Finanzminister Magnus Brunner ließ zwei Tage vor der Klausur mit dem Vorschlag aufhorchen, die Grunderwerbsteuer und Grundbucheintragungsgebührabzuschaffen, um den Kauf von Wohnungen oder Häusern günstiger zu machen. Die Grünen waren aber skeptisch.
Nehammer: Nächtliche Verhandlungen "haben sich ausgezahlt"
Bundeskanzler Nehammer sprach von einer "intensiven" Klausur bis in die Morgenstunden, er sei dankbar, in Vizekanzler Werner Kogler (Grünen) einen "Partner" zu haben, dem es dabei auch nicht um Inszenierung geht. Abseits der aktuellen Krisenbewältigung wolle man "Österreich in die Lage versetzten, unabhängiger und freier zu werden". Die Verhandlungsstunden hätten "sich ausgezahlt". Man wolle nun beweisen, "dass Vertrauen und Politik einander bedingen".
Auch Vizekanzler Kogler sprach von "riesigen" Errungenschaften der Regierung. Mehr Effizienz und Nachhaltigkeit bei Energiegewinnung und Speicherung habe man nun gewährleisten können. Und auch der "Lückenschluss" im Antikorruptionsrecht nach den "blauen Skandalen" sei nun gelungen. "Es ist alles fix und fertig", es sei nun endlich da "und unumstößlich". Aber: "Es gibt noch weiter viel zu tun."
Experten am Vortag am Wort
Am Dienstag kamen auch Experten zu Wort: Christoph Badelt, der Chef des Fiskalrates definierte den Arbeitskräftemangel als große Herausforderung mit wachstumshemmendem Effekt. "Es wird in Zukunft darum gehen, wie man ungenutztes Arbeitskräftepotenzial stärker nutzen kann." Michael Strugl, der Chef der Österreichischen-E-Wirtschaft betonte: "Die wichtigsten Prioritäten sind jetzt neben dem Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung, vor allem der Ausbau der Netzinfrastruktur und der Speicherkapazitäten für erneuerbaren Strom." Und der Generalsekretär des Verteidigungsministeriums, Arnold Kammel plädierte für strategische Partnerschaften aufgrund der angespannten geopolitischen Lage.