Nach zwei Jahren Coronapause hat Papst Franziskus am Freitagabend wieder die traditionelle Kreuzwegsandacht im Kolosseum von Rom geleitet. Zu der stimmungsvollen Prozession am Karfreitag, mit der an die Leidensstationen Jesu erinnert wurde, versammelten sich Zehntausende Gläubige vor dem antiken Amphitheater. Dabei wurde ein symbolisches Kreuz über 14 Stationen getragen. Eine als relativierend empfundene Versöhnungsgeste sorgte jedoch für Misstöne in der Ukraine.
Proteste aus der Ukraine
Zur 13. Kreuzwegstation ("Jesus stirbt am Kreuz") trugen eine ukrainische und eine russische Krankenpflegerin, die beide in Rom leben, das schlichte, schwarze Holzkreuz. Der römisch-katholische Bischof von Kiew, Witalij Krywyzkyj, meinte, dass diese Aktion "unverständlich und nicht zu akzeptieren sein könnte für jene, die unter dem Aggressor leiden". Ukrainische katholische Medien beschlossen, aus Protest den Kreuzweg aus Rom nicht live zu übertragen. Der Vatikan-Gesandte in der Ukraine, Visvaldas Kulbokas, sagte, dass es Versöhnung erst nach einem Stopp des Angriffs geben könne.
Der Papst betete vor dem antiken Amphitheater im Schein von unzähligen Kerzen und Fackeln. Er folgte der Zeremonie von einem Pavillon auf dem Palatin-Hügel aus. Viele Gläubige hatten stundenlang auf den Beginn der Zeremonie vor dem Kolosseum gewartet. Die traditionelle Zeremonie in Gedenken an den Leidensweg Jesu Christi vor 2000 Jahren, ein Höhepunkt im Osterprogramm, lief auf der sogenannten Via Crucis vor dem römischen Wahrzeichen ab. Der Papst nahm betend an der Feier teil, die als eine der schönsten Andachten im römischen Kirchenjahr gilt.
Papst Franziskus verfolgte die Meditationen an den 14 Stationen der "Via Crucis". Für jede der insgesamt Stationen hat in diesem Jahr je eine Familie eine Meditation vorbereitet. Die teilnehmenden Familien hatten unterschiedliche Schicksalsschläge erlitten haben, zudem eine mit Migrationshintergrund. Ein jungverheiratetes Ehepaar, eine Großfamilie mit fünf Kindern sowie ein Großelternpaar haben ebenfalls einen Text geschrieben. Die Meditationen für den Kreuzweg wechseln jährlich. Papst Franziskus und seine Vorgänger wählten in den vergangenen Jahrzehnten teils sehr unterschiedliche Autoren für die Stationen aus. Johannes Paul II. bat etwa einmal den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. um einen Text.
Vor dem Kreuzweg hatte der Papst am Karfreitag des Leidens und Sterbens Jesu gedacht. Nach Lesungen aus der Heiligen Schrift und den Großen Fürbitten stand die Verehrung des Kreuzes im Zentrum der Feier. Zu Beginn der Kreuzanbetung legte sich der von Knieschmerzen geplagte Franziskus nicht, wie es die Karfreitagliturgie vorschreibt, zu Füßen des Altars nieder, sondern verweilte einige Minuten lang betend. Zahlreiche Kardinäle und Bischöfe sowie beim Heiligen Stuhl akkreditierte Diplomaten nahmen an der Zeremonie teil. Die Predigt hielt der Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa. Im Gedenken an den Tod Jesu gibt es in der katholischen Kirche am Karfreitag und Karsamstag keine Gottesdienste.
Den Höhepunkt der Osterfeierlichkeiten im Vatikan bildet die Osternachtsmesse am Samstagabend. Weitere Höhepunkte der Kar-und Ostertage im Vatikan sind am Sonntagvormittag die Ostermesse des Papstes auf dem Petersplatz (10.30 Uhr) und um die Mittagszeit der feierliche Segen "Urbi et orbi".
Der französische Präsident Emmanuel Macron besuchte indes am Karfreitag die genau vor drei Jahren durch einen Großbrand zerstörte Pariser Kathedrale Notre-Dame. Mit Blick auf die Pandemie und den Krieg in Europa sei es ein "Zeichen der Hoffnung", dass die Kathedrale wiederaufgebaut werde, zitierten ihn französische Medien laut Kathpress. Macron bekräftigte das Ziel der Wiedereröffnung im Jahr 2024. Nach Abschluss der Arbeiten werde die Kathedrale schöner sein als je zuvor, "so wie wir sie zu unseren Lebzeiten nie gekannt haben", betonte der Präsident. Mit Blick auf Karfreitag verwies er darauf, dass der religiöse Feiertag zusammenfalle mit dem jüdischen Pessachfest und dem muslimischen Fastenmonat Ramadan. Er sei "Präsident einer säkularen Republik", stelle aber fest, dass es "eine Art Synchronität" gebe, so Macron, der sich in gut einer Woche in einer Stichwahl um das französische Präsidentenamt der rechtsextremen Politikerin Marine Le Pen stellt.