Was hat der Pendelverkehr auf der Westbahnstrecke mit der Hausdurchsuchung bei Gernot Blümel zu tun? Glaubt man grünen Strategen, sehr viel. Sie halten es für keinen Zufall, dass das Finanzministerium ausgerechnet am Sonntag weitere Hilfsgelder für ÖBB und Westbahn freigegeben hat, nachdem Klima- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) seit Anfang Jänner auf eine Zusage gewartet hatte.
Aber egal, ob die Verlängerung der Staatshilfe bloß wegen offener Fragen verzögert war (wie es das Kabinett von Gernot Blümel darstellt), oder ein spätes Zugeständnis des in die Ecke gedrängten Finanzministers ist (wie es die Grünen deuten): Es ändert nichts an der Tatsache, dass die Vorwürfe gegen Gernot Blümel die Koalition schwer belasten und auch die Grünen in Bedrängnis bringen.
Sondersitzung am Dienstag
Wenn am Dienstag bei der von der Opposition einberufenen Sondersitzung des Nationalrates über den Misstrauensantrag gegen Blümel abgestimmt wird, bringt das die grünen Abgeordneten - schon wieder - in eine Zwickmühle. Zum zweiten Mal in zwei Wochen werden etliche von Ihnen gerne mitstimmen wollen - und es aus Koalitionsräson wahrscheinlich trotzdem nicht tun.
Schon beim Misstrauensantrag gegen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) vor zwei Wochen gingen die grünen Parlamentarier nicht mit, obwohl sie ihn zuvor für die Abschiebung von in Österreich aufgewachsenen Kindern scharf kritisiert hatten. Auch die Korruptionsvorwürfe gegen ihren Koalitionspartner treffen die Grünen bis ins Mark.
Die Grünen sparen deshalb auch nicht mit Kritik an Gernot Blümel. Dass die ÖVP nun Klagen wegen Aussagen zu Blümel vorbereitet - 13 sind schon eingebracht, weitere in Vorbereitung - missfällt der Grünen Führung. Auch die parlamentarische Anfrage der ÖVP-JustizsprecherinMichaela Steinacker zur Vorgangsweise der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft befremdet sie. Die grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer bezeichnet sie als „Nebelgranate“ und sieht darin den Versuch „diese wichtige Behörde in der Öffentlichkeit zu beschädigen.“
Scharfe Kritik an Finanzminister Blümel und der Regierung kommt auch von der NEOS-Parteivorsitzenden Beate Meinl-Reisinger, die ihren Standpunkt in der "ZIB 2 am Sonntag" erläutert:
"Viele offene Fragen"
Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer befand am Wochenende zwar, dass es noch zu früh für Rücktritssaufforderungen sei, weil erst geklärt werden müsse, ob Blümel vor dem Hintergrund der Vorwürfe sein Amt ausführen kann. Mit Blümels eidesstattlichen Erklärung geben sich die Grünen aber dennoch nicht zufrieden. Für Nina Tomaselli, die grüne Fraktionsführerin im U-Ausschuss wirft sie viele Fragen auf: Etwa, ob es seitens der Novomatic Spenden an ÖVP-Teilorganisationen oder bisher nicht genannte Vereine gegeben hat. Oder ob Tochterfirmen der Novomatic gespendet haben. All das sieht Tomaselli unbeantwortet. „Die ÖVP muss jetzt zeigen, dass sie es ernst meint mit der Aufklärung“, sagt sie.
Konkret heißt das: Man will die ÖVP dazu bringen, die Bücher der Vereine offen zu legen, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen stehen. Und noch mehr: Man will das angekündigte Transparenz- und Anti-Korruptionspaket endlich in die Umsetzung bringen. Herzstück ist, dass der Rechnungshof künftig die Finanzen der Parteien prüfen soll. Vizekanzler Werner Kogler hatte das noch für das Vorjahr versprochen, doch bisher scheiterte es am koalitionären Konsens. Erst letzte Woche wurde die Änderung des Parteien- und Parteinförderungsgesetzes im Verfassungsausschuss vertagt.
Absturz in Umfragen
Die Grünen brauchen nun dringend einen Erfolg, denn auch in der Parteizentrale weiß man: „In letzter Konsequenz geht es um unsere Glaubwürdigkeit.“ Jüngste Umfragen zufolge ist die bereits in Mitleidenschaft gezogen. Das Meinungsforschungsinstitut „Unique research“ sieht zwar auch die ÖVP in einem leichten Abwärtstrend aber mit 36 Prozent unangefochten auf Platz eins. Die Grünen jedoch fielen von 14 Prozent auf nunmehr 10 zurück und liegen erstmals seit dem Sommer 2019 knapp hinter Neos.
Bis zur Sondersitzung am Dienstag wird daher auf verschiedenen Ebenen verhandelt. Und was, wenn die ÖVP nicht einlenkt? „Noch ist alles offen“, sagt eine Insiderin: „Bis Dienstag kann viel passieren.“
Veronika Dolna