Die EU will in der Weißrussland-Krise demokratische Werte und die Menschenrechte verteidigen. So sagte es Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Freitag. Später entschieden die Außenminister der 27 Mitgliedsstaaten, neue „individuelle Sanktionen“ gegen das Regime von Alexander Lukaschenko zu erarbeiten. Ziel ist es, den Diktator über sein persönliches Umfeld zum längst überfälligen Machtverzicht zu bewegen. Zugleich soll ein Paket mit Angeboten zum Dialog geschnürt werden.
Entscheidung fällt in Moskau
Das ist natürlich alles richtig und wichtig. Nur: Durchschlagender Erfolg wird der EU nicht beschieden sein. Denn die Entscheidung, wie es in Minsk weitergeht, fällt in Moskau, nicht in Brüssel. Der russische Präsident Putin hat alle Machtmittel, um seinen Willen durchzusetzen. Wirtschaftlich ist Belarus dem großen Nachbarn ebenso ausgeliefert wie militärisch. Und politisch ist die Abhängigkeit sogar in mehrere Unionsverträge gegossen. Die EU wiederum hat schon 2014 in der Ukraine demonstriert, dass sie nicht bereit ist, sich zur Verteidigung ihrer Werte in einen kriegerischen Konflikt mit Russland zu stürzen.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Das war absolut richtig. Und im Fall Weißrussland kommt ein Militäreinsatz sogar noch viel weniger in Frage. Zumal die Menschen im Land gar nicht nach Hilfe rufen. Sie wollen ihre Dinge selbst regeln. Anders als in Kiew 2014 sind in Minsk 2020 bei den Protesten gegen das korrupte Gewaltregime keine EU-Flaggen zu sehen. Die politische und moralische Unterstützung aus Brüssel ist willkommen. Aber das war’s dann auch.
Schwindender Einfluss
Der aktuelle Konflikt im Osten Europas demonstriert den rasant schwindenden weltpolitischen Einfluss der EU. Die Kriege in Syrien und der Ukraine samt der Krim-Annexion ließen diesen Niedergang bereits erahnen. Dann kamen die Euro- und die Migrationskrise und zuletzt der Brexit obendrauf. Nun besteht die akute Gefahr, dass der immer wahrscheinlicher werdende Sturz des Diktators Lukaschenko zum nächsten machtpolitischen Offenbarungseid der EU werden könnte.
unserem Korrespondenten Ulrich Krökel