Es hatte sich abgezeichnet, dass es mit den Coronabonds jetzt nichts werden würde. Obwohl von Ländern wie Italien ebenso vehement gefordert wie von Deutschland oder Österreich abgelehnt, hatte die Idee zwei gravierende Schwachpunkte: Zum einen, dass das Argument einer Vergemeinschaftung von - auch schon davor erworbenen - Staatsschulden nicht so einfach vom Tisch zu wischen ist, zum anderen, dass solche Corona- oder Euro-Bonds einfach eine sehr lange technische Vorlaufzeit brauchen.
Zeit ist aber ein entscheidender Faktor. EU-Parlament-Vizepräsident Othmar Karas, ein Befürworter der Bonds, prägte das Bild von der Feuerwehr, die unverzüglich ausrückt, wenn das Haus brennt. Es wäre fatal gewesen, hätten sich die Mitgliedsländer in einer endlosen Debatte um Bonds verirrt und damit jede Entscheidung weiter verzögert. So war es also grundvernünftig, nun ein mehr als 500 Milliarden schweres Wirtschaftspaket auf den Weg zu schicken, das von allen akzeptiert wird. Zu guter Letzt hatten auch die Niederlande ihre Bestemmhaltung aufgegeben - zufriedengestellt durch den Passus, dass ESM-Gelder in erster Linie direkt in die Gesundheitssysteme stark betroffener Länder fließen sollen und nicht für andere - abwegige - Zwecke genutzt werden können.
Anstelle der umstrittenen Bonds will man nun am Recovery Fund weiterarbeiten, einem Wiederaufbau-Fonds, der eine weitere halbe Billion Euro freischlagen soll. Hier wählte man eine vorsichtige Formulierung, indem man in der Erklärung festhielt, die Länder würden "innovative" Finanzierungsformen prüfen. Für den italienischen Finanz- und Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri sind Bonds noch immer "am Tisch". Eurogruppen-Chef Mario Centeno sagte spät am Abend ausweichend, die EU habe noch nie so schnell auf eine Krise reagiert, noch dazu auf eine so schwere. Man werde sehen, ob das genug sei.
Tatsächlich muss man Finanzminister Gernot Blümel recht geben, wenn er es (kurz vor Mitternacht) so ausdrückte: "Die Einigung ist ein starkes Comeback Europas." Man wird sehen, wie weit die gewaltigen Wirtschaftsmaßnahmen reichen. Und man hat Zeit gewonnen, sich im Detail mit neuen, zusätzlichen Finanzinstrumenten konstruktiv auseinanderzusetzen. Ob mit Bonds, Fonds oder anderen Maßnahmen. Die Diskussion darüber ist noch lange nicht vorbei - sie hat gerade erst begonnen.