Die Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani im Irak könnte nach Einschätzung des Nahost-Experten Wilfried Buchta dort zur Ablehnung der USA führen. Der Angriff könne damit zum "Eigentor" der USA werden, sagte der Islamwissenschafter, der von 2005 bis 2011 UNO-Analyst im Irak war, am Sonntag im Deutschlandfunk.
Der Iran und der Irak seien als mehrheitlich schiitische Länder religiös-kulturell verbunden, sagt Buchta. Viele Politiker in der irakischen Regierung hätten früher als Oppositionelle gegen den Diktator Saddam Hussein Zuflucht im Iran gefunden. Der Irak sei heute von Korruption und der arroganten Herrschaft ethnokonfessioneller Parteien geprägt. Dagegen habe sich starker Protest organisiert, der blutig niedergeschlagen wurde. Regierungschef Adel Abdel Mahdi sei zurückgetreten und nur noch kommissarisch im Amt.
US-Abzug wäre Erfolg für den Iran
Doch mit dem Luftangriff der Amerikaner drohe die Stimmung umzuschlagen in Richtung Antiamerikanismus. Die Regierung habe sich gezwungen gesehen, den US-Angriff als Terrorakt zu bezeichnen. Das Parlament könnte über ein Gesetz zum Abzug der Amerikaner beraten. Käme es dazu, wäre der Angriff ein machtpolitisches Eigentor, sagte Buchta: Die Amerikaner verlören durch einen Abzug jeglichen Einfluss und der Iran wäre der Sieger.
Die Ankündigung des deutschen Außenministers Heiko Maas (SPD), in den Vereinten Nationen und der Europäischen Union Initiativen zur Deeskalation zu ergreifen, sei "eher leeres Gerede und politischer Aktionismus", sagte Buchta. "Deutschland schwimmt mit im großen militärischen Verbund der NATO und muss sich eng mit den Amerikanern abstimmen. Sie haben kaum Einflussmöglichkeiten auf die irakische Regierung, ganz wenig Gesprächskontakte zu irakischen Parteien. Der Dialog mit Iran verläuft schleppend, ist eher eingefroren. Deutschland ist sozusagen ohnmächtiger Zuschauer bei dieser Konflikteskalation im Nahen Osten."