Großbritannien befindet sich nach einem Triumph der regierenden Tories auf dem Weg zu einem raschen EU-Austritt im Jänner. Die Partei von Premierminister Boris Johnson errang bei der Unterhauswahl am Donnerstag eine deutliche absolute Mehrheit und kann damit ihr Versprechen einlösen, "den Brexit durchzuziehen". Labour-Chef Jeremy Corbyn erklärte noch in der Wahlnacht seinen Rückzug.
Johnsons Tories sicherten sich bei dem Urnengang am Donnerstag 365 der 650 Sitze im Unterhaus. Die Konservative Partei hat damit einen Vorsprung von 80 Mandaten auf die anderen Parteien. Durch diesen Triumph sind sie so stark wie seit der Ära von Ex-Premierministerin Margaret Thatcher in den 80er-Jahren nicht mehr.
US-Präsident Donald Trump gratulierte Johnson bereits via Twitter.
Premierminister Boris Johnsonwertete den Erdrutschsieg der Tories als "historisch" und "mächtiges Mandat für den Brexit". Die britische Regierung habe nun die Gelegenheit, "den demokratischen Willen des britischen Volkes zu respektieren". Mit der Arbeit daran werde man schon "heute" beginnen, sagte Johnson bei der Verkündung des Ergebnisses in seinem Londoner Wahlkreis. Johnson hatte die vorgezogene Wahl angesetzt, um eine Mehrheit für seinen Austrittsdeal mit der EU zu bekommen.
Johnson sah sich durch das Resultat in seinem harten Brexit-Kurs bestätigt. Er verurteilte die seit mehr als drei Jahren andauernde Hängepartie im Brexit-Streit. "Ich werde diesen ganzen Unsinn beenden und wir werden den Brexit fristgerecht zum 31. Jänner erledigen, ohne Wenn und Aber."
Die Labour Party fuhr das schlechteste Ergebnis seit dem Jahr 1935 ein. Corbyn zog bei der Verkündung des Ergebnisses in seinem Londoner Wahlkreis Islington die Konsequenzen. "Ich werde die Partei nicht in eine weitere Wahl führen", sagte der Oppositionsführer. Die Vorschläge von Labour seien "außerordentlich populär" gewesen, doch habe der Brexit das Land polarisiert und soziale Themen überdeckt. "All diese Fragen werden wieder in den Mittelpunkt zurückkehren", betonte er.
Rücktritts-Aufforderung
Zuvor hatten mehrere Labour-Spitzenpolitiker Corbyn zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. "Das ist die Schuld eines Mannes. Seine Kampagne, sein Wahlprogramm, seine Führung", schrieb die langjährige Labour-Abgeordnete Siobhain McDonagh. "Labour muss entgiftet werden", meinte die im Wahlkreis Stoke-on-Trent North abgewählte Mandatarin Ruth Smeeth.
Die ersten Ergebnisse der Wahlnacht hatten ein "Blutbad" in bisherigen Labour-Hochburgen in Nordengland gezeigt. Die Konservative konnten dabei mehrere Sitze gewinnen, die bisher immer von Labour besetzt worden waren. Johnson hatte dort erfolgreich mit seinem Versprechen, "den Brexit durchzuziehen", um europakritische Labour-Wähler geworben. Zugleich gelang es der Oppositionspartei nicht, wesentliche Gewinne in europafreundlichen Wahlkreisen zu verbuchen. Anders als erhofft kam es dort nicht zu taktischen Stimmabgaben, weswegen mehrere prominente Tory-Abgeordnete ihre Mandate retten konnten.
Wahldesaster
Ein Wahldesaster setzte es auch für die pro-europäischen Liberaldemokraten, die den EU-Austrittsantrag rückgängig machen wollten. Ihre Chefin Jo Swinson verlor sogar ihren Sitz im schottischen Dunbartonshire East an die Schottische Nationalpartei (SNP), den zweiten Gewinner dieser Wahl. SNP-Chefin Nicola Sturgeon sagte mit Blick auf das Ergebnis in Schottland, dass Premier Johnson kein Mandat habe, den Landesteil aus der EU zu führen. "Schottland muss eine Wahl über seine Zukunft bekommen", forderte sie ein neuerliches Unabhängigkeitsreferendum.
Denkzettel
Einen Denkzettel für ihren Brexit-Kurs erhielten auch die nordirischen Unionisten, deren Vizechef Nigel Dodds abgewählt wurde. Erstmals seit der Teilung der Insel im Jahr 1921 dürfte Nordirland damit mehr irisch-nationalistische Abgeordnete haben als Unionisten. Die Grünen behielten ihren Sitz, die Brexit Party von EU-Gegner Nigel Farage ging leer aus.
EU erleichtert
EU-Politiker zeigten sich erleichtert von dem sich abzeichnenden klaren Wahlausgang. "Ich gehe davon aus, dass damit der Weg geebnet ist zu einem geordneten Austritt", sagte Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Es sei, so wie es aussehe, ein Sieg des konservativen Premiers Boris Johnson, zu dem ihm gratulieren sei, so Bierlein. Ein geordneter Austritt Großbritanniens wäre sicherlich begrüßenswert.
Ähnlich äußerte sich der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven. Das Wahlergebnis sei "klar". Das bedeute, dass die Trennung durchgezogen werde, so Löfven, der darauf hinwies, dass nur wenig Zeit - elf Monate - für das Ausverhandeln eines Handelsabkommens zwischen der EU und Großbritannien bleibe. Die französische Europastaatsministerin Amelie de Montchalin sagte, eine stabile Mehrheit sei das, "was im Vereinigten Königreich seit einigen Jahren gefehlt hat".