Wie groß ist der Graben zwischen ÖVP und SPÖ im Nationalrat?
HERMANN SCHÜTZENHÖFER: Es ist eine Politik der verbrannten Erde. Es gibt eine abgrundtiefe Abneigung, die schon in der letzten Regierung entstanden ist. Faymann und Spindelegger waren von ihren Parteien nicht mehr gewollt, Kern und Mitterlehner waren die Ausläufer einer nicht mehr funktionierenden Zusammenarbeit.
Das türkisblaue Projekt hat sich aber auch rasch abgenützt.
Sebastian Kurz hat viel geschluckt. Er hat es zustandegebracht, dass nach außen hin nicht gestritten wurde, aber nach innen wurde es von Monat zu Monat schwieriger. Beim Umgang mit den Identitären hat man gesehen, dass es in der FPÖ Flügelkämpfe gibt. Ich bedaure, dass die FPÖ den Schritt zur Staatspartei nicht geschafft hat. Eine neuerliche Koalition mit ihr wäre sehr, sehr schwierig.
Sollen neben dem Rauchverbot auch andere türkis-blaue Beschlüsse korrigiert werden?
Ich war schon 2013 nach dem OGH-Urteil für ein komplettes Rauchverbot. Spindelegger war unentschlossen, der damalige Wirtschaftsminister Mitterlehner ist mir in den Rücken gefallen – und zwar der Sonderklasse. Ich halte es zweitens für gescheit, wenn man die Frage Karfreitag einer besseren Lösung zuführt – nicht sofort, aber spätestens bis zum nächsten Karfreitag. Das mit dem persönlichen Feiertag ist verunglückt.
Was wäre die bessere Lösung?
Der Karfreitag soll für die Evangelischen frei sein, und wenn es nicht anders geht, dann auch für die Katholiken. Ich halte es für falsch, dass man einer Gruppe, die in Österreich eine Tradition hat und der in vergangenen Jahrhunderten Unrecht angetan wurde, ihren höchsten Feiertag wegnimmt. Aber dann bin ich dafür, ehrlich zu bleiben und einen jener Feiertage, die im Konkordat nicht verankert sind, dafür zu streichen.
Den 1. Mai?
Nein, da fange ich mir keinen Kampf mit der Sozialdemokratie an, das treibt denen ja die Wut ins Gesicht. Ich nenne keinen Feiertag. Aber schauen Sie nach Italien, das ist angeblich das katholischste Land Europas: Die haben den Fronleichnamstag schon lange auf den Sonntag danach gelegt. Die haben keinen Pfingstmontag, keinen Stefanitag. Also: Kein zusätzlicher Feiertag, denn wir haben genug, aber ein fairer Abtausch, der auch vor den Gerichten hält.
Ist Kurz als Kanzler gescheitert?
Kurz ist nicht gescheitert. Wir stehen am Anfang der Veränderung, und sie wird fortgesetzt. Ich glaube, dass ihm die Wähler einen sehr deutlichen Auftrag erteilen werden. Ich kann hinkommen, wo ich will: Kurz ist unbestritten. Es ist natürlich immer die Frage, ob man das bis Ende September durchtragen kann. Es gibt ja eine unheilige Allianz zwischen Rot und Blau, sie haben gemeinsam die Regierung gestürzt. Das macht viele Leute wütend.
Soll die ÖVP wieder ihr Vorzugsstimmenmodell anwenden?
Ich persönlich schwanke sehr, ob das sinnvoll ist. Im EU-Wahlkampf hat man sehr viel Zeit damit verbracht, wie man die Namen der Kandidaten richtig schreibt, und nebenbei hat man sich halt irgendwie noch mit der EU beschäftigt. Natürlich bekommt man möglicherweise in Summe mehr Stimmen. Aber das Problem ist, wenn man das so macht, dass man sich eher auf regionale Gegebenheiten als auf Kurz konzentriert. Und ich glaube, die Konzentration auf Kurz ist noch immer das eigentliche Trumpf-Ass der ÖVP.