Der Eklat begann sich schon früh abzuzeichnen. Das Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un endete vorzeitig und ohne Abschlusserklärung. Trump erklärte vor der Presse, Nordkorea habe die komplette Streichung aller Sanktionen verlangt. „Dem konnten wir nicht zustimmen.“
Schon beim morgendlichen Zusammentreffen der beiden schien die Stimmung frostig. Dann wurde das Arbeitsmittagessen gestrichen. Es folgte die Absage der gemeinsamen Unterzeichnungszeremonie und die Amerikaner setzten ihre Pressekonferenz zwei Stunden früher an als geplant. Der Hanoi-Gipfel war geplatzt, beide Staatsmänner kehren mit leeren Händen nach Hause zurück. Immerhin: Vor seinem Vier-Augen-Gespräch mit Trump antwortete Kim erstmals auf Fragen von Journalisten und bekräftigte seine Bereitschaft zu einer Denuklearisierung: „Wenn ich es nicht wäre, wäre ich nicht hier.“
Donald Trump war sich vorab offenbar zu sicher, dass Nordkorea mit dem Versprechen zufrieden sei, dass dessen Wirtschaft abheben werde. Vor der Presse sprach Trump vage von Hilfe, die Nordkorea auch von anderen Ländern erhalten würde. Von einem offiziellen Ende des Korea-Krieges war während des ganzen Gipfels keine Rede. Trump nannte die Gespräche „produktiv“, doch „Kims Vision der Entnuklearisierung passt nicht zu unserer“. Dennoch: Er wolle die Beziehung aufrechterhalten. So gebe es keine US-Geiseln und keine Raketen- und Atomtests mehr. Kim habe ihm versichert, dass dieses Testmoratorium andauern werde, doch „wir hielten es nicht für angebracht, heute eine Vereinbarung zu unterzeichnen“.
Der US-Präsident sagte, dass Kim bereit gewesen sei, einige, aber nicht alle Atomanlagen in Nordkorea zu schließen, im Austausch für die Aufhebung aller internationalen Sanktionen: „Sie waren bereit, einen großen Teil der Gebiete, die wir wollen, zu denuklearisieren, aber wir könnten nicht alle Sanktionen dafür aufgeben.“
Kim sei bereit gewesen, Nordkoreas größte Atomanlage Nyngbyn einzumotten. Doch danach sei noch viel übrig, so Trump. „Ich hätte heute eine Vereinbarung unterzeichnen können. Manchmal muss man gehen.“ Man habe sich nicht im Streit getrennt, es sei ein freundliches Verabschieden gewesen. Den ganzen Gipfel über habe eine „warme Freundschaft“ geherrscht. Ein nächstes Treffen könnte bald stattfinden – oder „für eine lange Zeit nicht“. Trumps Außenminister Mike Pompeo fügte hinzu, man habe von Kim erwartet, was dieser nicht zu geben bereit sei, aber man sei „näher an einer Lösung als noch vor 36 Stunden“.
Dabei stellt sich die Frage, wie realistisch die Amerikaner die Nordkoreaner einschätzen und wie verhandlungsbereit die Amerikaner überhaupt sind. Es wäre naiv, zu glauben, dass Kim seine nukleare Lebensversicherung aufgibt, ohne dafür erst substanzielle Zusicherungen zu erhalten. So weit haben die Amerikaner erst die gemeinsamen Militärmanöver mit ihrem Verbündeten Südkorea eingestellt, während Nordkorea vor mehr als einem Jahr Atom- und Raketentests stoppte und ein Nukleartestgelände zerstörte.
Trump reiste gleich nach der Pressekonferenz mit der Air Force One nach Washington zurück. Während des Flugs telefonierte er mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in und Japans Premier Shinzo Abe. Moon nannte das ergebnislose Ende des Gipfeltreffens „bedauerlich“, Abe lobte: „Ich unterstütze Trumps Entscheidung, nicht den einfachen Weg zu gehen.“ Mit dem abrupten Ende des Hanoi-Gipfels sind die Hoffnungen auf eine Friedenslösung für die koreanische Halbinsel nun wieder deutlich geringer.