Warum ist der "Labor-Unfall" als Hypothese wieder da?
Die Hypothese von einem Laborunfall in Wuhan, bei dem das Coronavirus im Herbst 2019 entwichen sein könnte, schien schon vom Tisch zu sein. Doch nun ist das Institut für Virologie in Wuhan wieder in den Fokus der Debatte geraten.
Genährt wurde die These vom Labor-Unfall zuletzt durch das Wall Street Journal. Die Zeitung berichtete vor wenigen Tagen über ein vertrauliches Papier der Trump-Regierung, dem zufolge drei Forscher des Wuhaner Instituts im November 2019, also vor der Diagnose der ersten bekannten Corona-Fälle, ein Krankenhaus mit den später für Corona so typischen Symptomen aufgesucht hätten. Die amerikanische Regierung dringt auf eine Fortsetzung der Untersuchungen. US-Präsident Biden wies nun auch die US-Geheimdienste an, sich des Falls wieder anzunehmen.
Biden erklärte, er habe schon im März einen Geheimdienstbericht in Auftrag gegeben - inklusive der Frage, ob das Virus durch menschlichen Kontakt mit einem infizierten Tier oder einen Labor-Unfall aufgekommen sein könnte. Diesen Bericht habe er inzwischen. Innerhalb des Geheimdienstapparates gebe es unterschiedliche Einschätzungen. Daher habe er die Geheimdienste angewiesen, ihre Bemühungen zu verstärken und binnen 90 Tagen einen weiteren Bericht dazu vorzulegen. Diese vorsichtige Formulierung lässt auch die Möglichkeit offen, dass es definitive Antworten womöglich nie geben wird.
Um welches Labor handelt es sich?
Das Wuhan-Institut beherbergt die größte Virusbank in Asien, in der mehr als 1.500 Virenstämme aufbewahrt werden. Das zugehörige Hochsicherheitslabor ist das erste des Kontinents, das für den Umgang mit Krankheitserregern der Klasse 4 wie Ebola ausgerüstet ist. In Wuhan waren im Dezember 2019 die ersten Corona-Fälle weltweit aufgetreten. Immer wieder wurde das Labor mit dem Ausbruch der Pandemie in Verbindung gebracht. Das Labor in Wuhan verfügt über die weltweit größte Sammlung von in Fledermäusen gefundenen Viren, die zuständige Forschungsleiterin hat den Spitznamen "Fledermaus-Lady".
Was sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO?
In ihrem Bericht zur Expertenmission im chinesischen Wuhan geht die Weltgesundheitsorganisation von einer Übertragung des Coronavirus auf den Menschen durch ein Tier als Zwischenwirt aus. Von der Fledermaus sei der Erreger "wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich" auf ein anderes Tier und von diesem auf den Menschen übergegangen, hieß es im jüngsten Bericht. Die These, das Virus sei aus einem Labor entwichen, wurde als "extrem unwahrscheinlich" bezeichnet. Die USA zogen die Qualität dieser Untersuchung jedoch in Zweifel. Sie warfen China ungebührliche Einflussnahme auf die beteiligten internationalen Experten vor. Bidens Vorgänger Donald Trump hatte wiederholt behauptet, Hinweise zu haben, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stamme. Trump hatte gesagt, womöglich sei ein "schrecklicher Fehler" geschehen: "Wahrscheinlich war es Inkompetenz, jemand war dumm." Weder er noch Mitglieder seiner Regierung legten aber Belege vor. Auch vonseiten des WHO-Teams selbst gab es Klagen über unzureichenden Zugang und unvollständige chinesische Daten.
Neben Fledermäusen sind auch Schuppentiere im Visier. Warum?
Außer Fledermäusen sind auch Schuppentiere als möglicher Ausgangspunkt der Coronavirus-Pandemie im Visier der Forscher. Wissenschafter empfehlen, die Schuppentiere bei der Suche nach dem Ursprung einzubeziehen. Auch Nerze und Katzen könnten Wirte des Virus sein, hieß es im WHO-Abschlussbericht.
Und was jetzt?
Die USA fordern eine weitere Überprüfung der Ursprünge des Coronavirus durch internationale Experten. Diesen müsse die Möglichkeit gegeben werden, die Quelle des Virus und die frühen Tage des Ausbruchs vollständig, transparent und wissenschaftlich fundiert unter die Lupe zu nehmen, erklärte US-Gesundheitsminister Xavier Becerra in einer Videobotschaft an die Jahrestagung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Mit der Ankündigungen neuer Untersuchungen gibt Biden der These vom Laborunfall nun neuen Raum und forciert die Suche nach Antworten.
Wie reagiert China auf die neuen Ermittlungen?
China lehnt Pläne von US-Präsident Joe Biden für neue Ermittlungen der US-Geheimdienste zum Ursprung des Coronavirus ab. Außenamtssprecher Zhao Lijian warf den USA am Donnerstag in Peking vor, die Suche zu politisieren und China die Schuld an der Pandemie geben zu wollen. Er wehrte sich gegen den Verdacht, dass das Virus aus einem chinesischen Labor entwichen sein könnte und berief sich auf den Bericht der WHO. In den USA werde versucht, von einer eigenen "inkompetenten Antwort" auf die Pandemie abzulenken.