Die Proteste gegen die Verhaftung des katalanischen Rappers Pablo Hasélstellen Spaniens Regierungskoalition zwischen der linken Unidas Podemos (UP) und den Sozialisten (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sánchez vor eine Zerreißprobe. Die PSOE warf dem Juniorpartner vor, die gewalttätigen Proteste von Tausenden Menschen in verschiedenen Städten anzufeuern. Podemos verurteilte die Polizeigewalt und forderte personelle Konsequenzen.
Hásel wurde am Dienstag von der Polizei festgenommen, nachdem er wegen Songtexten und Twitter-Beiträgen von einem Gericht wegen Beleidigung der spanischen Krone, staatlicher Institutionen sowie wegen "Gewaltaufrufs" schuldig gesprochen wurde.
Der Rapper Pablo Hasél, der mit bürgerlichem Namen Pablo Rivadulla Duró heißt, verherrliche in seinen Songtexten und Tweets Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten sowie Politikerinnen und Politiker, zudem habe er die spanische Königsfamilie beleidigt, wird argumentiert. Die spanische Monarchie steht wegen Korruptions- und Betrugsverdacht des in Abu Dhabi untergetauchten Altkönigs Juan Carlos seit geraumer Zeit unter Generalverdacht und hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Der Rapper Pablo Hasél bezeichnete die Mitglieder des Königshauses als „Parasiten“ und beschimpfte Juan Carlos als „Mafioso“.
Auch in der Nacht auf heute kam es in Barcelona und Madrid zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Demonstranten zündeten Mülltonnen an, zerstörten Geschäfte und bewarfen die Polizei mit Steinen und anderen Gegenständen. Die Beamten antworteten mit Schlagstöcken. Wie die Zeitung La Vanguardia berichtete, nutzen Demonstrantinnen und Demonstranten in Barcelona brennende Müllcontainer erneut als Barrikaden. Bei den Ausschreitungen seien auch Geschäfte sowie Scheiben des Gebäudes der Zeitung El Periódico zerstört worden. Die Demonstration war zunächst als friedlicher Protestmarsch angekündigt worden.
Bereits im Vorfeld von Haséls Verhaftung formulierten 200 Künstler ein Manifest und forderten "Meinungsfreiheit". Zu den Unterzeichnern gehören Kult-Regisseur Pedro Almodóvar und Hollywoodstar Javier Bardem. Unter dem wachsenden Druck hatte Spaniens linke Regierungskoalition vergangene Woche eine Reform des Strafrechts angekündigt, durch die "verbale Exzesse im Rahmen künstlerischer, kultureller oder intellektueller" Aktionen nicht mehr unter das Strafrecht fallen sollen.
Dennoch sorgte der "Fall Hasél" nun erneut für einen heftigen Streit zwischen Sánchez' Sozialisten und dem linkspopulistischen Koalitionspartner Unidas Podemos. Podemos-Sprecher Pablo Echenique verurteilte auf Twitter die Polizeigewalt, forderte eine Untersuchung des Vorgehens der Beamten und sprach seine "Unterstützung für die jungen Antifaschisten, die Gerechtigkeit und freie Meinungsäußerung auf den Straßen fordern", aus.
Worte, die dem sozialistischen Koalitionspartner gar nicht gut gefallen. "Eine Sache ist es, die Demokratie zu verteidigen, eine andere, eine Situation mit Verwundeten und Inhaftierten anzuheizen", sagte Spaniens sozialistische Vize-Regierungschefin Carmen Calvo im Radiosender Cadena SER. "Die Meinungsfreiheit ist fundamental, hat aber auch ihre Grenzen. Und die jüngsten Vorfälle haben nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun", so Calvo weiter.
Die Antwort von Podemos ließ nicht lange auf sich warten. "Niemand sollte ins Gefängnis gehen müssen, nur weil er seine Meinung äußert. Die Menschen müssen wissen, dass es demokratische Wege gibt und dass niemand wegen seiner politischen Ansichten verfolgt wird", stellte der Podemos-Abgeordnete Rafael Mayoral klar.
Die konservative Opposition erhöht bereits den Druck auf Premier Sánchez. "Die Anführer von Podemos folgen Trumps Weg", verglich PP-Fraktionssprecherin Cuca Gamarra den Twitter-Beitrag Echeniques mit dem Aufruf des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump an seine Anhänger, das Kapitol in Washington einzunehmen. Gamarra fordert Sánchez auf, Iglesias als Verantwortlichen einer Partei, die zur Gewalt aufruft, sofort abzusetzen.
Dazu wird es nicht kommen. "Aber in jüngster Zeit führen ideologische Unterschiede zwischen den Sozialisten und der aus der Empörten-Bewegungen entstandenen Podemos immer häufiger zu erheblichen Spannungen, welche die labile Minderheitsregierung vor eine regelrechte Zerreißprobe stellt", erklärt Politologe Pablo Simón.
Simón gibt zu bedenken, dass es sich bei der im Jänner 2019 gebildeten Regierungskoalition um die erste in der Geschichte der spanischen Demokratie handle und die Parteien in Spanien erst noch lernen müssen, in Koalitionsregierungen zu agieren. Dennoch sei es in den vergangenen Wochen dennoch zu sehr heftigen und vor allem öffentlichen Konflikten zwischen den Koalitionspartnern gekommen.
Erst vor einer Woche sorgten die Worte von Podemos-Chef Pablo Iglesias für große Spannungen mit den Sozialisten. Iglesias, wie Carmen Calvo ebenfalls Vize-Regierungschef, äußerte sich im Zuge der katalanischen Wahlkampagne im Radiosender RAC 1 sehr kritisch über die spanische Demokratie. Podemos spricht sich im Gegensatz zu den Sozialisten offen für das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen aus. Und solange es in Katalonien Politiker im Exil oder in Haftanstalten gebe, könne "nicht von einer vollen Demokratie" in Spanien die Rede sein.
Die Worte führten zu einem Aufschrei in den sozialistischen Reihen. Gleich mehrere Minister widersprachen dem Podemos-Minister offiziell und stellten klar, dass Spanien über eine der weltweit besten Demokratien überhaupt verfüge. Unterdessen wachsen die Spannungen zwischen beiden Koalitionspartnern weiter.
Die Podemos-Gleichberechtigungsministerin Irene Montero, Partnerin von Pablo Iglesias, will verschiedene Gesetze in die Wege leiten, die den Sozialisten eindeutig zu weit gehen. So plant Montero Mitte Februar beispielsweise ein neues Trans-Gender-Gesetz zu verabschieden, laut dem Betroffene ab 16 Jahren ohne medizinische Gutachten oder psychologische Beratung offiziell ihr Geschlecht ändern können. Die Sozialisten kündigten bereits an, eine solche Initiative ihres Juniorpartners boykottieren zu wollen.