Einen Termin beim Arzt auszumachen, sollte einfach sein. Bloß: Bis man einen Termin erhält, kann es dauern – vor allem auf Kasse. Wir machten bei jeweils fünfzehn Facharztpraxen pro Bundesland – in jenen Fachbereichen, wo am meisten Stellen unbesetzt sind – die Probe aufs Exempel.

Grundsätzlich gilt: Wer einen Kassenvertrag hat, kann Leistungen für Patientinnen und Patienten zu fixen Tarifen über die Krankenkasse abrechnen lassen. Im Gegenzug muss die Praxis zu gewissen Stunden geöffnet haben, Patientinnen und Patienten müssen behandelt werden – mit Kassenverträgen soll die medizinische Versorgung der breiten Bevölkerung sichergestellt werden.

Die Recherche zeigt: In der Praxis ist das nicht immer der Fall. Kontaktiert wurden mehrere Hundert Arztpraxen. Die erste Hürde bestand darin, zu den angegebenen Öffnungszeiten überhaupt jemanden ans Telefon zu bekommen. Häufig meldete sich nur der Anrufbeantworter oder es war andauernd besetzt.

135 Praxen, 28 Mal Aufnahmestopp

Von den 135 erreichten Kassenpraxen verkünden 28 gleich einen Aufnahmestopp, zumindest für die kommenden Monate. Das ist rund ein Fünftel der Stichprobe, obwohl Kassenärzte das aufgrund des Vertrages nicht dürften. Bei 57 weiteren Ordinationen beträgt die Wartezeit mehr als 30 Tage.

Das Ergebnis unterscheidet sich stark regional. In Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg ist es nahezu egal, ob man Kinder-, Frauen- oder Augenheilkunde braucht, allzu oft herrscht Aufnahmestopp. In Kärnten gab es hingegen immer einen Termin – wenn auch mitunter zu Jahresende. In der Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und dem Burgenland war es einfacher – wenn auch oft verbunden mit monatelangen Wartezeiten.

In Salzburg und Oberösterreich sind vor allem Termine bei Kinderärzten heiß begehrt. Nur in einer von jeweils fünf Ordinationen konnte ein Termin für ein zweijähriges Kind genannt werden. Bei den Kleinsten kommt es mitunter auf die Adresse an. In der Steiermark ist der Bedarf an Kinderärzten in und rund um Graz so groß, dass die meisten Praxen nur aus dem unmittelbaren Stadtbezirk aufnehmen. Wer als Grazer 15 Minuten mit der Schnellbahn zur Kinderärztin nach Karlsdorf fahren will, stößt auf einen Aufnahmestopp für Kinder von außerhalb.

Wer zahlt, kommt dran

Bei Frauenärztinnen und -ärzten zahlt es sich mitunter aus, eine zweite Nummer anzurufen. Während man in Klagenfurt bei einer Ärztin bis Jahresende auf einen Ersttermin warten würde, fand ihre Kollegin etwa bereits am nächsten Tag Zeit. Anderenorts kommt man am Warten aber kaum vorbei: Bei zumindest zwei Frauenärzten in Innsbruck war es eine Option, sich im Sommer wieder zu melden.
Augenärztinnen und -ärzte sind in ganz Österreich Mangelware. In der Steiermark kann sich glücklich schätzen, wer nur zwei Monate auf einen Kassen-Termin warten muss. In Niederösterreich und Tirol kommt man auf Kasse mitunter erst nächstes Jahr dran. Bei vier von fünf kontaktierten Augenärzten in Vorarlberg herrschte gänzlich Aufnahmestopp. Nur in Notfällen sei man noch erreichbar.

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Wer privat zahlt, kann mitunter einen Aufnahmestopp umgehen: Trotz voller Kassenpraxis einer Augenärztin in der Steiermark, wurde in der Privatpraxis bereits am übernächsten Tag ein Termin angeboten. Wie viel privat zu zahlen ist, ist oft unklar. Eine Pauschale für eine Routinekontrolle gibt es bei den meisten Praxen nicht: Der Preis hängt davon ab, welche Untersuchungen durchgeführt werden. Die Honorare schwanken zwischen 80 und 200 Euro und werden nur zum Teil von der Krankenkasse rückerstattet. Eine Patientin aus Salzburg schildert, sie habe mehr als sechs Monate auf einen Termin beim Augenarzt warten müssen und sei "zähneknirschend" zu einem früheren Termin bei einem Wahlarzt gegangen, da sie bereits Probleme hatte. 150 Euro musste sie zahlen, eine Zusatzversicherung hat sie nicht. "Als Beitragszahlerin zahle ich zweimal: mit den Abzügen von meinem Gehalt und dann noch einmal, um behandelt zu werden. Das kann es doch nicht sein."

Ausnahmen von der Behandlungspflicht

Die Recherche zeigt: Wer sich auf Kasse untersuchen lassen will, muss mitunter mit langen Wartezeiten rechnen – wenn es überhaupt Termine gibt. Dabei steht Österreich erst am Beginn einer historischen Pensionswelle im medizinischen Bereich.
Laut Ärztekammer ist in den Gesamtverträgen zwar üblicherweise eine Behandlungspflicht für Vertragsärzte gegenüber den Versicherten festgehalten. In begründeten Fällen kann die Behandlung aber auch abgelehnt werden, sofern es sich um keinen Notfall handelt. "Wenn etwa die Kapazitäten einer Ordination überlastet sind, und keine ordnungsgemäße Betreuung der übrigen Patienten mehr möglich wäre und es so zu einem Qualitätsverlust käme", heißt es dort.