Bereits der Rechnungshof hatte an der Einrichtung der Covid-19-Finanzierungsagentur kaum ein gutes Haar gelassen. Am Dienstag hat nun der Verfassungsgerichtshof die Einrichtung der Cofag gar als verfassungswidrig erklärt und teilweise Richtlinien aufgehoben. Der Bundesregierung gibt er ein Jahr Zeit, das Gesetz zu reparieren. Bis dahin können auch die Zahlungen weiterlaufen. Rückzahlungen von Covid-Hilfen sind mit dieser Entscheidung nicht verbunden.
Als im Frühjahr 2020 das Coronavirus in Österreich auftauchte und das Land nur wenige Wochen später in den ersten von insgesamt drei Lockdowns ging, zimmerte die türkis-grüne Bundesregierung in mehreren Etappen ein gigantisches Hilfsprogramm für die Wirtschaft. Mehr als 1,3 Millionen Anträge wurden seither eingereicht, in 99,9 Prozent der Fälle kam es zu Auszahlungen. Insgesamt 15 Milliarden Euro an Hilfen wurden über die Cofag abgewickelt. Dabei war deren Installierung verfassungswidrig, sagt nun der VfGH.
Ausschluss von Staatsbetrieben verfassungskonform
Die Wiener Lokalbahnen Verkehrsdienste GmbH, die vor allem die Badner Bahn betreibt und im Eigentum der Stadt Wien steht, war wegen eines nicht zugestandenen Fixkostenzuschusses vor das Höchstgericht gegangen. Auch andere Anträge von Gesellschaften im öffentlichen Eigentum waren eingelangt. Dagegen hatte das Höchstgericht allerdings keine Einwände, weil der staatliche Eigentümer in der Lage sei, „einen ausreichenden Deckungsbeitrag zu leisten, um einen existenzbedrohenden Untergang 'seines' Unternehmens zu vermeiden“, heißt es in einer von insgesamt fünf Entscheidungen. Der Ausschluss dieser Unternehmen sei daher „sachlich gerechtfertigt“.
Sehr wohl stößt sich der VfGH aber an der Einrichtung der Cofag selbst. Dieser war als Tochtergesellschaft der Abbag gegründet worden, der Abbaugesellschaft des Bundes und Überbleibsel der Hypo-Alpe-Adria-Pleite. Im Frühjahr 2020 hatte alles „sehr schnell gehen müssen“, wie sämtliche Involvierte vom damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) abwärts stets beteuerten, unter anderem auch als Auskunftspersonen im ÖVP-Untersuchungsausschuss. Man entschied sich damals für eine Ausgliederung.
Kritik des Rechnungshofs an Gründung
Die Genese hatte bereits den Rechnungshof irritiert. "Die Cofag entstand binnen weniger Tage, ohne nachvollziehbare Dokumentation der Willensbildung", schrieb dieser in seinem Bericht zur Cofag. Das Finanzministerium prüfte zudem keine Alternativen, wie etwa eine Umsetzung der Hilfen durch die Finanzverwaltung. Aus Sicht des VfGH ändere aber auch die Ausgliederung nichts daran, dass die Cofag staatliche Verwaltung im Sinne des Bundes-Verfassung (Artikel 20) darstellt. Deshalb müsse die Gesellschaft bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Zum einen darf es sich nicht um Kernaufgaben eines Staates handeln, sondern nur um „einzelne Aufgaben“, die ausgegliedert werden. Vor allem aber muss dem verfassungsrechtlichen Effizienz- und Sachlichkeitsgebot entsprechen. Dass der Rechnungshof bei seiner Prüfung keine Effizienz, sondern Überförderungen in dreistelliger Millionenhöhe und immense Beraterhonorare fand, sei noch nicht zwangsläufig eine Verletzung des Effizienzgebotes, befand nun der VfGH. An mehreren Stellen im Erkenntnis erwähnt er allerdings die Prüfung des Rechnungshofes.
Feine sachlichen Gründe für Ausgliederung
Die Bundesregierung hatte im Zuge der Verhandlung argumentiert, dass es am Anfang der Pandemie große Unsicherheiten gab, wie lange und wie hart die Wirtschaft getroffen werden würde. Es sei daher unklar gewesen, ob die „bestehenden Behörden in der Lage wären, die erforderlichen zusätzlichen Aufgaben zeitgenau zu erfüllen sowie inwieweit neues Personal aufzubauen wäre“, heißt es in der Entscheidung. Aus Sicht des VfGH ergebe sich die unsachliche Übertragung der Aufgaben daraus, weil die Cofag selbst „nicht über die notwendige sachliche Ausstattung“ (insbesondere technische Ausstattung) außerhalb der Finanzämter verfügte. Für den Verfassungsgerichtshof sei deshalb „nicht erkennbar“, dass die Cofag die Aufgaben besser erledigen konnte. Mehr noch: Im Mai 2020, zwei Monate nach Cofag-Gründung, wurde das Covid-19-Förderungsprüfungsgesetz beschlossen, das die Finanzverwaltung eine unterstützende und prüfende Rolle der Cofag einräumte.
Dass die Milliardenbeträge der Covid-Hilfen quasi abseits der Aufsicht durch den Finanzminister fließen, sieht der VfGH nicht als verfassungswidrig an. Die Cofag unterliege zwar nicht direkt der Leitung des Ministers, er könne aber über die Abbag Einfluss nehmen. Das entspreche den Anforderungen der Verfassung. Allerdings stelle deshalb auch eine Richtlinie des Finanzministeriums, wonach die Cofag-Organe weisungsfrei seien, einen Verstoß gegen die Verfassung dar.
Ebenfalls aufgehoben wurde die Richtlinie, dass nur Covid-Hilfen erhalten durfte, wer in den fünf Jahren vor Antragstellung nicht wegen eines Finanzdelikts mit mehr als 10.000 Euro Strafe verurteilt wurde. Die Subvention an gesellschaftliches Wohlverhalten zu knüpfen, sei zwar in Ordnung. Das Problem: Der Passus knüpfte an die Sanktion, nicht an den Tatzeitpunkt und verstoße daher gegen den Gleichheitsgrundsatz.