Während in anderen europäischen Städten Tausende zur Unterstützung der Palästinenser auf die Straße gehen, hielt sich der Zulauf am Samstag in Wien in überschaubaren Grenzen. Rund 300 Personen, vorwiegend mit Migrationshintergrund, versammelten sich am Columbusplatz in Favoriten unweit des Hauptbahnhofs, um mit Parolen wie "Lasst Gaza leben, lasst Gaza frei" oder "Israel Terrorist" ihre Solidarität mit Palästina, aber auch Wut gegenüber Israel auszudrücken.
Anders als eine Kundgebung am Mittwochabend in der Innenstadt, die von der Polizei wegen der Gefahr von Gewalt kurz vor Beginn verboten wurde, aber trotzdem abgehalten wurde, hatten die Behörden dieses Mal keine Einwände. Dies wohl deshalb, weil der Aufruf "Free Palestine from the River to the Sea" diesmal nicht bei der Ankündigung der Demonstration verwendet wurde. Dieser Slogan spricht Israel das Existenzrecht ab, weil das Gebiet Palästinas hier vom Mittelmeer bis zum Fluss Jordan umfasst – und damit auch das Staatsgebiet des jüdischen Staats.
Veranstalter achteten penibel auf Wortwahl der Redner
Die Polizei war mit einer großen Anzahl an uniformierten und zivilen Kräften im Einsatz. Meldungen über Anzeigen oder Festnahmen lagen vorerst keine vor. Die Stimmung an Ort und Stelle war emotional, aber friedlich. Wiederholt wurde auch "Boycott Israel" sowie "Kindermörder Israel" gerufen. "Wir stehen heute nicht hier, um zu jubeln, sondern um zu trauern", betonte Veranstalter Sami Ayad von der Palästinensischen Gemeinde Österreichs in seiner Eröffnungsrede.
Sehr genau achtete Ayad während der Kundgebung darauf, was die Rednerinnen und Redner auf der Kundgebungsbühne von sich geben. Als ein Jugendlicher "Allahu Akbar" rief, schritt ein Ordner sofort ein und ermahnte ihn, dies zu unterlassen. Generell waren arabische Parolen unerwünscht, ermahnte Ayad die Kundgebungsteilnehmer. "Das ist eine Solidaritätskundgebung für die Zivilbevölkerung in Gaza (...) Wir sind hier, um zu zeigen, dass wir an sie denken", betonte er gegenüber der APA.
Wer eine Lösung für den Konflikt suche, müsse zunächst über seine Ursachen sprechen, erklärte Mary Pompalk von der Friedensinitiative "Frauen in Schwarz". "Israelische Apartheid, Besatzung und die Komplizenschaft der Vereinigten Staaten und auch Europas bei dieser Unterdrückung sind die Quelle all dieser Gewalt." Wenn man über palästinensischen Terror spreche, müsse man auch den "staatlichen Terror" bedenken, den die israelische Regierung, Militär und Siedler an den Palästinenser seit Jahrzehnten tagtäglich verüben".
Massaker "bedauerlich", aber "Gewalt produziere Gegengewalt"
"Gaza ist ein Gefängnis mit zwei Millionen Insassen", sagte Willi Langthaler von der Palästina Solidarität Österreich auf der Kundgebung. Seine Organisation war es auch, die zur Kundgebung am vergangenen Mittwoch am Stephansplatz aufgerufen hatte. Angesprochen auf Vorwürfe, es hätte sich dabei um eine Jubeldemo für Gräueltaten der Hamas an israelischen Zivilisten gehandelt, wies er entschieden zurück.
Die Massaker an Zivilisten in Israel seien bedauerlich, aber eine Reaktion auf die "massive Form von struktureller Gewalt" Israels gegenüber den Palästinensern. Dies produziere "Gegengewalt, die nicht immer moralisch ist", so Langthaler. Auch Ayad verurteilte die Massaker an der israelischen Bevölkerung, versuchte aber zu erklären: "Das ist wie der Ausbruch durch ein Druckventil bei einem Kessel." Diese Deutung Ayads steht freilich im Widerspruch zu Erkenntnissen, wonach die Hamas-Terroristen ihre Mordkampagne mit 1.200 Toten, darunter auch Säuglinge, monatelang vorbereitet hatte.
Neuer Israel-Botschafter: Palästinenser sollten gegen Hamas demonstrieren
Zuvor hatte sich der designierte Botschafter in Österreich, David Roet, in die Debatte über Zulassung oder Verbot von pro-palästinensischen Demonstration zu Wort gemeldet. Er spricht sich in einem Interview mit der APA gegen ein Verbot aus. "Ich denke, sie sollen auf die Straße gehen. Sie sollten schreien: 'Free Gaza from Hamas. Befreit den Gazastreifen von Terrorismus." Von der österreichischen Reaktion nach dem Großangriff der Hamas-Terrororganisation auf Israel zeigt sich Roet "sehr beeindruckt".