Waren Sie überrascht davon, dass der VfGH das ORF-Gesetz aufhebt?

BEATE MEINL-REISINGER: Nein, seit zehn Jahren weisen wir darauf hin, dass es eine grundlegende Gremienreform braucht. Jetzt muss das gesamte ORF-Gesetz zurück an den Start. Grüne und ÖVP dürfen das nicht in der Regierung hinter verschlossenen Türen alleine ausmachen.

Wie sollen Stiftungs- und Publikumsrat beschickt werden?

Der Stiftungsrat und die Freundeskreise gehören weg. Unabhängigkeit darf nicht nur ein Schlagwort sein. Daher braucht es einen unabhängigen Aufsichtsrat, der einen mehrköpfigen Vorstand bestellt und überwacht. Und der ORF-Landesaufschlag gehört gestrichen.

Die geht in Kultur und Sport. Da kann man ja nicht dagegen sein.

Ja, das ist immer das Totschlagargument. So gesehen wäre jede Förderung in Österreich immer gut und richtig. Am Ende stehen Milliarden an Steuergeld, das wir lieber in den Taschen der Menschen lassen würden.

Sie kritisieren den neuen Finanzausgleich. Warum?

Österreich gibt im Vergleich viel mehr für Gesundheit und Bildung aus, aber der Output ist nicht gut. Das liegt auch am Föderalismus, der immer nur darin besteht, einfach mehr Geld zu fordern. Diese Bundesregierung bewirft jedes Problem, das sie sieht, mit Geld. Und ja, SPÖ und FPÖ würden es nicht besser machen, denn die fordern noch mehr Ausgaben.

Fordern Sie die Abschaffung der Bundesländer oder zumindest der Landtagsgesetzgebung?

Das Auseinanderfallen der Verantwortung, Steuern einzunehmen und auszugeben, ist ein Riesenproblem. Also entweder kommen wir dorthin, dass die Länder Verantwortung für die Einnahmen übernehmen. Oder wir müssen uns über die Frage unterhalten, ob es Landtage überhaupt braucht.

Ihr Ex-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn ziert sich ein bisserl mit seinem Comeback. Gibt es schon Bittprozessionen zu ihm?

Das nicht, ich bin aber mit ihm laufend in Kontakt. Er hat schon mehrfach gesagt, er will zurückkommen und wird sich in den nächsten Vorwahlen bewerben. Seine starke Stimme des Mittelstands ist wichtig.

Die Neos wollen Neuwahlen. Können Sie den Volkskanzler Herbert Kickl nicht erwarten?

Na ja, auch der Volkskanzler Kickl wird keine Mehrheit haben, sondern er braucht eine andere Partei.

Soll Kickl auch dann vom Kanzleramt ferngehalten werden, wenn die FPÖ die stärkste Partei wird?

Auch dann muss er sich eine Mehrheit suchen. Ich arbeite daran, dass es eine alternative Mehrheit gibt.

Wenn die ÖVP mit den Neos in eine Regierung geht: Wäre sie dann plötzlich die 'gute ÖVP'?

Nein. Ich halte die ÖVP nach wie vor für eine Partei, der es nur noch um Macht geht. Ich weiß nicht mehr, was ihre Vision ist. Sie ist zerrissen und völlig ausgehöhlt.

Was ist denn die Vision der Neos?

Eine freie und gerechte Chancengesellschaft. Von den Neos gibt es ein Bekenntnis zum Sozialstaat. Allerdings sind wir die einzigen, die das auf enkel-fitte Weise absichern wollen.

Sie plädieren für eine Senkung der Lohnnebenkosten. Dieses Geld würde aber im Gesundheits- und Pflegesystem fehlen.

Das stimmt, wenn ich dort hineinschneide. Aber das ist nicht unser Vorschlag. Ich denke eher an die Kammerumlage 2 oder an den Wohnbau-Beitrag.

Mit wie vielen Mandaten rechnen Sie nach der Wahl?

Mit mehr. Es klingt seltsam, aber die Zahl unserer Mandate ist doch völlig irrelevant.

Eine schöne Schlagzeile: Wie die Neos abschneiden, ist irrelevant.

Ich glaube tatsächlich, dass das per se für die Österreicher nicht die große Frage ist. Die große Frage ist: Spielen wir eine Rolle? Ich glaube, wir müssen das tun, denn ohne uns wird sich gar nichts ändern.