Der türkis-grünen Bundesregierung steht eine medienpolitische Herkulesaufgabe mit potenzieller Sprengkraft bevor. Denn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob am Dienstag Teile des ORF-Gesetzes auf. Betroffen sind die Bestellung und Zusammensetzung des Stiftungsrats und des Publikumrats. Die Bestimmungen verstoßen nach Sicht des Höchstgerichts gegen das verankerte Gebot der Unabhängigkeit und pluralistischen Zusammensetzung dieser Organe, da die Bundesregierung sowie der Bundeskanzler übermäßigen Einfluss auf Publikumsrat und Stiftungsrat nehmen können.

Der Verfassungsgerichtshof stößt sich nicht grundsätzlich gegen eine politische Besetzung der ORF-Gremien. So hält der VfGH die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsrats durch die Bundesländer sowie auf Vorschlag der im Nationalrat vertretenden Parteien nicht für verfassungswidrig. Wohl aber, dass der Publikumsrat derzeit nur sechs Mitglieder entsenden kann, die Bundesregierung aber neun. Dies verstoße gegen das Pluralismusgebot des Verfassungsgesetzes von 1974 über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks.

Austausch von Stiftungsräten nicht rechtskonform

Ebenfalls verfassungswidrig erkennt der VfGH, dass zwar Mitglieder des Stiftungsrats für vier Jahre bestellt werden, sie aber nach einem Regierungswechsel und einer Neukonstituierung des Publikumsrats vor Ende der Periode abberufen werden können. Dies verstoße gegen das Unabhängigkeitsgebot. Vertreter von Parteien sowie von der Belegschaft könnten dagegen vorzeitig sehr wohl ausgetauscht werden.

Auch der Publikumsrat ist in seiner derzeitigen Form nicht verfassungskonform. Der Bundeskanzler bestellt 17, die diversen anderen Organisationen wie Kammern, Kirche und Parteiakademien jedoch nur 13 Mitglieder. Die vom Kanzler (derzeit: Medienministerin) bestellten Publikumsräte sollen zudem 14 gesellschaftliche Gruppen repräsentieren. Das ORF-Gesetz regelt allerdings nicht genau, wie viele Mitglieder der einzelnen Gruppen zu bestellen sind und welche Vorschläge von welchen Organisationen berücksichtigt werden. Auch das verstoße gegen das Unabhängigkeits- sowie das Pluralismusgebot.

Beschwerde aus dem Burgenland

Der VfGH gibt dem Gesetzgeber für eine Reparatur der aufgehobenen Regelungen bis 31. März 2025 Zeit. Das heißt, dass die betroffenen Passagen erst in der kommenden Legislaturperiode auslaufen. Es ist aber nicht zu erwarten, dass die türkis-grüne Bundesregierung diese nun offene legistische Baustelle der kommenden Regierung überantwortet, zumal bei einer Wahl im Herbst die Zeit bis Ende März sehr knapp wäre, eine politisch derart heikle Materie durch das Parlament zu bringen.

Gegen das ORF-Gesetz hatte es eine Beschwerde burgenländischen Landesregierung gegeben, die in der Bestellung der Mitglieder der beiden Kollegialorgane die gebotene Unabhängigkeit gebrochen sah. Ende September fand eine öffentliche Verhandlung des VfGH dazu statt.