Nach den pro-palästinensischen Kundgebungen am Wochenende in Wien gehen die Meinungen über den Umgang damit auseinander. Während die SPÖ der Meinung ist, dass die Versammlungen "natürlich" hätten aufgelöst werden müssen, wollen die Neos mit einer Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) klären, ob der Verfassungsschutz (DSN) und die Polizeibehörden "ihre gesetzliche Pflicht aktiv wahrnehmen".
Polizei sah keinen Grund zum Einschreiten
Die Polizei verteidigte dagegen ihr Vorgehen. "Die Demonstrationen waren zwar emotional, aber friedlich. Es erfolgten keine strafrechtlichen Tatbestände wie Verhetzung oder die Verwendung von verbotenen Fahnen oder Symbolen", teilte die Landespolizeidirektion Wien mit. Jede Versammlung im Zusammenhang mit der derzeitigen Situation werde vom Verfassungsschutz beobachtet und laufend bewertet, so Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl, "bisher wurden keine Vorfälle wahrgenommen, die eine Auflösung der Demonstrationen gerechtfertigt hätte".
SPÖ, Neos kritisieren Vorgehen
Die SPÖ sieht das anders: "Demonstrationen, bei denen der Hamas-Terrorangriff auf Israel gefeiert wird, sind aufs Schärfste zu verurteilen und hätten natürlich aufgelöst werden müssen", erklärte der rote Parlamentsklub gegenüber der APA. Gutheißen sowie Auffordern zu Terror und Verhetzung seien Straftatbestände, bei deren Erfüllung eine Versammlung aufzulösen sei. Die notwendige Lageeinschätzung, entsprechende Vorbereitungen sowie etwaiges Einschreiten vor Ort seien in der Verantwortung des Innenministers.
Auf für Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper habe "das Bejubeln von Terror und Mord auf Österreichs Straßen nichts verloren. Unsere Demokratie muss wehrhaft sein und ist aufgrund ihrer Geschichte hier besonders in der Verantwortung zu gewährleisten, dass sich alle in Österreich Lebenden, die wegen ihrer Herkunft oder Familien in Angst und Schrecken versetzt sind, sicher fühlen."
Die Polizei betonte dagegen die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung als Teil des Grundprinzips eines demokratischen Rechtsstaats und verwies auf das Versammlungsrecht als hohes verfassungsrechtliches Gut, das nur in gesetzlich genau geregelten Fällen eingeschränkt werden dürfte. So sei im Mai 2021 laut Verwaltungsgericht eine pro-palästinensische Demonstration in Wien zu Unrecht untersagt worden, weil das Versammlungsrecht "nicht pauschal" durch mögliche Gefahren eingeschränkt werden dürfe.
"Jede Demonstration muss einzeln geprüft werden"
Nach Ansicht des Verfassungsexperten Peter Bußjäger muss jede Demonstration einzeln geprüft werden, eine Auflösung der Demonstrationen wäre aber durchaus möglich, wenn dort gewaltverherrlichende Parolen skandiert werden. Dies würde eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung darstellen, was laut Versammlungsgesetz eine Auflösung erlaube. Zu berücksichtigen sei dabei auch, wie die Situation auf die in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden wirken würde, also ob diese sich dadurch eingeschüchtert fühlen, so Bußjäger gegenüber der APA. Auch Hinweise auf den Tatbestand der Verhetzung wären ein Anlass für eine Auflösung, so der Experte.
Vonseiten der FPÖ forderte der Delegationsleiter der Partei im Europaparlament, Harald Vilimsky, die umgehende Ausweisung von "Palästinensern und arabischstämmiger Gruppen", die in europäischen Städten die Terrorakte der Hamas öffentlich gefeiert hätten. Zudem sollten ihre Organisationsstrukturen verboten werden.
Die Grünen beschränkten sich unterdessen darauf, die Kundgebungen wieder einmal zu verurteilen. "Wer darüber jubelt, wenn Menschen entführt und getötet werden und Terror herrscht, der tritt die Werte des friedlichen Zusammenlebens mit Füßen", so die Grünen in einer Stellungnahme. Gerade in Österreich mit seiner Geschichte bedürfe es dabei besonderer Sensibilität.