Zum zweiten Mal binnen einer Woche ist ein E-Mail beim falschen Adressaten und über diesen in der Öffentlichkeit gelandet. Zu Recht? Immerhin findet sich meistens in den Signaturen geschäftlicher E-Mails der Hinweis, das Schreiben sofort zu löschen, sollte man es irrtümlich erhalten. Es handelt sich dabei um einen Haftungsausschluss oder Disclaimer, doch rechtlich ist es wirkungslos, es ist eher eine Bitte. Doch es gibt eine Reihe von Gesetzen, die auf Fälle wie diese abzielen könnten.
Zunächst das Telekommunikationsgesetz: In diesem findet sich in §161 das "Kommunikationsgeheimnis", das die Verwertung oder Veröffentlichung untersagt, wenn von einer "technischen Einrichtung", wie es heißt, Nachrichten "unbeabsichtigt empfangen" werden. Der Medienrechtler Hans Peter Lehofer ist aber skeptisch, dass diese Rechtsnorm bei verirrten E-Mails auch greift, wie er auf X (früher Twitter) schrieb. Das Gesetz zielte ursprünglich auf falsch eingestellte Funkfrequenzen und eben das unbeabsichtigte Empfangen ab. Bei den beiden E-Mail-Versehen lag aber der Fehler beim Sender. Aus Sicht des Verwaltungsrechtlers Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck könnten durch den Wortlaut aber sehr wohl E-Mail-Irrungen inkludiert sein. Judikatur gebe es dazu aber nicht, so Bußjäger. Es handelt sich jedenfalls nicht um ein mit Strafen versehenes Delikt.
Strafrechtlich droht sogar Haft
Lehofer verweist seinerseits auf das Strafgesetzbuch und den §120, der eigentlich den Missbrauch von Ton- und Videoaufnahmen regelt. Vor gut 20 Jahren wurden dann auch Informationen "im Wege einer Telekommunikation" inkludiert. Strafbar macht sich demnach, wer eine nicht für ihn bestimmte Nachricht in der Absicht, "sich oder einem anderen Unbefugten vom Inhalt dieser Nachricht Kenntnis zu verschaffen", veröffentlicht. Diese Absicht ist hier relevant, wie der Strafrechtler Andreas Venier von der Uni Innsbruck erklärt. Dieser Paragraf zielt eigentlich eher in Richtung des tatsächlich unbefugten Aneignens von Daten, nicht auf verirrte E-Mails. Der Strafrahmen beträgt hier bis zu 3 Monate. Judikatur findet sich dazu auch nicht.
Könnte bei Fällen wie diesen aber nicht das Briefgeheimnis greifen? Dieses ist in §77 des Urheberrechtsgesetzes geregelt und wurde, obwohl nicht explizit erwähnt, in der Rechtsprechung schon vor Jahren auf E-Mails erweitert. Auch für diese gilt also prinzipiell das Briefgeheimnis. "Es ist aber immer eine Interessensabwägung", sagt die auf Medienrecht spezialisierte Anwältin Maria Windhager.
Vertraulichkeit ist Voraussetzung
Im ersten Fall, das Sora-Institut betreffend, hatte der mittlerweile zurückgetretene Co-Leiter Günther Ogris einen Verteiler mit 800 Adressaten erwischt. Dem Vernehmen nach hatte er das E-Mail nur an seine Privatadresse senden wollen. Bei einem derart großen Verteiler stelle sich laut Windhager die Frage, ob das Briefgeheimnis hier überhaupt greift, weil dieses eine Vertraulichkeit voraussetzt. Bei einem E-Mail an derart viele Empfänger ist dieser Umstand womöglich nicht gegeben, auch wenn es nicht beabsichtigt gewesen sein mag.
Die Frage, was ein "öffentliches Interesse" ist und wie schwer es wiegt, sei immer auf den Einzelfall anzuwenden, betont Windhager. Venier erklärt, dass es sich um ein "überwiegendes Informationsinteresse" handeln müsse. Peter Bußhäger verweist auf Nachfrage der Kleinen Zeitung, dass in der Rechtsprechung dieses Informationsinteresse zuletzt recht weit ausgelegt wurde.
Geplantes Koalitionsende?
Das im Parlamentsklub der Neos gelandete Schreiben aus den Reihen der ÖVP mit einem Antrag auf Einsetzung eines U-Ausschusses, der sich im Endeffekt auch an den eigenen Regierungspartner richtet, birgt jedenfalls Brisanz. Die Neos deuteten dies als einen geplanten Absprung aus der Koalition, denn Regierungsparteien vereinbaren immer, sich nicht gegenseitig zu überstimmen. Das wäre aber die Konsequenz eines solchen Antrags gewesen.
Sollte eine Regierungspartei tatsächlich vorhaben, die Koalition zu sprengen, wäre ein öffentliches Interesse wohl leicht zu begründen. Die ÖVP dementierte dieses Vorhaben jedoch umgehend. Der Antrag sei alt und nur aktualisiert worden. Man hatte sich damit ursprünglich gegen erneute oppositionelle U-Ausschüsse wappnen wollen, so Klubchef August Wöginger sinngemäß.
Der Kontext und damit im konkreten Fall das Dementi der ÖVP zu ihren Absichten ist bei erneuten Veröffentlichungen des Briefinhalts wichtig, weil er zum öffentlichen Interesse auch Einordnung bietet. "Es ist immer der Einzelfall zu prüfen", sagt Windhager. So könnten sogar Fälle eintreten, in denen bei der Erstveröffentlichung das öffentliche Interesse überwiegt, dieses bei einer entkontextualisierten, bloßen Wiedergabe aber nicht mehr vorliegt. Allerdings dürfte dies wohl eher theoretischer Natur sein.