Im seit Monaten bestehenden koalitionären Patt um Postenbesetzungen in der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und im Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gibt es neue Vorwürfe gegen Michael Sachs, der aktuell Vizepräsident des BVwG und ÖVP-Kandidat für die BWB-Spitze ist. Die Grünen lehnen den Juristen ab. Laut dem Verein Asylkoordination soll Sachs als Richter für mehrere Asylentscheidungen verantwortlich gewesen sein, die von Höchstgerichten wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurden.

"Die Presse" und Ö 1, die über diese Vorwürfe berichteten, berufen sich auf Dossier von 167 Seiten über Entscheidungen aus den Jahren 2020 und 2021, das die Asylkoordination erstellte. Darin geht es um 30 Erkenntnisse der von Sachs verantworteten Gerichtsabteilung W195, die von höchster Instanz gekippt wurden. Besonders schwerwiegend: In mindestens neun Fällen in den beiden Jahren habe die Republik aufgrund grober Fehlleistungen des aktuellen Interimspräsidenten selbst Entschädigungen zahlen müssen. "Michael Sachs muss sich den Vorwurf der Rechtsverweigerung und der Missachtung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gefallen lassen", erklärte dazu Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der Asylkoordination.

Teil eines Personalpakets

Allein in fünf Verfahren innerhalb von zwei Jahren hätten die Höchstgerichte sogar jeweils zweimal Erkenntnisse von Richter Sachs aufheben müssen. "Obwohl die Rechtslage klar war, hat Sachs wiederholt vollkommen unvertretbare Rechtsansichten eingenommen und grob fahrlässig gehandelt", so Gahleitner-Gertz. Pikant ist für die Asylkoordination, dass die Dienstaufsicht über die BVwG-Richter immer der Präsident ausübt, diese Funktion wegen der Besetzungsblockade der Regierung aber nun Sachs selbst innehat. Die Asylkoordination kündigte daher an, ihr Dossier dem Justizministerium zu übermitteln, dem die Dienstaufsicht über den Präsidenten zukommt.

Die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) und Ex-Neos-Abgeordnete Irmgard Griss bewertete die Vorwürfe im Ö-1-"Morgenjournal" als durchaus weitreichend, ähnlich Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger: "Vor allem, wenn sozusagen im zweiten Rechtsgang die Vorgaben der übergeordneten Instanz noch immer nicht erfüllt sind. Das ist dann schon selten."

OeNB-Posten auch unbesetzt

Die Personalie ist nach Angaben der Bundesregierung Teil eines "Personalpakets", auf das sich ÖVP und Grünen seit Monaten nicht verständigen können. Daran hat sich zuletzt deutliche Kritik entzündet, nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch aus der Justiz. Die Präsidenten der vier Oberlandesgerichte hatten brieflich bei Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Besetzung urgiert, auch die Richtervereinigung und die Rechtsanwälte protestierten.

Die beiden Leitungsfunktionen sind aber nicht die einzigen offenen, die von der Bundesregierung zu besetzen sind. Auch im Generalrat der Österreichischen Nationalbank (OeNB) sind fünf von zehn Positionen unbesetzt, nachdem diese Mandate ausgelaufen sind. Das Gremium sei aber noch beschlussfähig, heißt es von der OeNB. Für das ebenfalls lange unbesetzte Finanzmarktstabilitätsgremium wurden Ende September nun drei neue Mitglieder mandatiert.