Es seien Unterstellungen der Opposition, um einen "erfolgreichen Bundeskanzler" schlechtzureden: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker verteidigte am Freitag Karl Nehammers Aussagen zu Kinderarmut und Teilzeitarbeit.
Seit Mittwochabend sorgt ein Video des Kanzlers für Aufsehen, das bei einer ÖVP-Funktionärsveranstaltung in Hallein, Salzburg, im Juli entstanden ist. Darin rät der Kanzler etwa armutsbetroffenen Familien den Gang zur Fast-Food-Kette McDonald's und beklagt die hohen Teilzeitquoten im Land.
Begeisterter Besucher teilte Nehammer-Video
Aufgenommen war das Video von einem Gast bei der Veranstaltung, der es später in Gruppen geteilt hat. Er sei begeistert gewesen von den Aussagen Nehammers, erklärte die ÖVP Salzburg.
Am Freitag machte Stocker allerdings die SPÖ für die Verbreitung des Videos in den sozialen Netzwerken verantwortlich. Ein vom Umfrageinstitut Sora ausgearbeiteter Entwurf für ein rotes Strategiepapier, das Anfang der Woche an die Öffentlichkeit gelangte, sei "längst in Umsetzung begriffen", sagte der türkise Generalsekretär. "Das Land soll schlecht gemacht und Erschöpfung kommuniziert werden."
Nehammer habe ÖVP-Standpunkte "pointiert" formuliert
Nehammers Aussagen seien bewusst missverstanden worden, bemängelte Stocker. Zwar habe der Kanzler seine Sager "pointiert" formuliert, aber eigentlich nur den Standpunkt der Volkspartei kommuniziert, dass sich Leistung lohnen müsse. "Wohlstand wird auch in Zukunft erarbeitet werden müssen", sagte Stocker. Auch an der Tatsache, dass auch Menschen ohne Betreuungspflichten häufig in Teilzeit arbeiten, müsse Kritik erlaubt sein.
Außerdem habe "diese Bundesregierung mehr für von Armut betroffene Menschen gemacht als alle Bundesregierungen davor", sagte der Generalsekretär und nannte Entlastungsmaßnahmen wie auf das erhöhte Schulstartgeld und den angehobenen Familienbonus. "Die Opposition will den Menschen den Glauben an Österreich nehmen, weil sie selbst nicht an Österreich glaubt", resümierte Stocker.
FPÖ fordert Nehammers Rücktritt
Als "mehr als rücktrittsreif" sieht FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz dagegen den Kanzler. Das Video stelle das Ibiza-Video in den Schatten, es zeige einen Kanzler, "der an Empathielosigkeit, Eiseskälte, Abgehobenheit und Menschenverachtung nicht mehr zu überbieten ist". Dabei habe die Bundesregierung die Bevölkerung "zuerst geknechtet und in eine Krise hineingeführt", jetzt würde sie sie dafür "demütigen und beleidigen".
Besonders scharf kritisierte Schnedlitz Nehammers McDonald's-Äußerung. "Unsere Kinder müssen uns doch mehr wert sein als ein billiger im Labor designter Industriefraß, der uns auch noch krank macht", sagte der blaue Generalsekretär.
Kogler sieht "unachtsame Aussagen"
Auch bei den Freiheitlichen sei man der Meinung, dass sich Leistung lohnen müsse, "die Schuld, dass sich Leistung nicht mehr lohnt, trägt die Bundesregierung", so Schnedlitz. Eine Koalition mit der Volkspartei wollte er trotzdem nicht ausschließen. Zuerst sei der Wähler am Wort, "dann sehen wir weiter".
Vorsichtiger formulierte Vizekanzler Werner Kogler seine Kritik am Koalitionspartner. Es handle sich um "unachtsame Aussagen, manche sagen: Parolen". "Diese Aussagen waren natürlich schon weit weg von den Lebensrealitäten dieser Frauen", sagte Kogler. Wie Stocker verwies auch er auf Maßnahmen der Regierung zur Armutsbekämpfung.