Die meisten sind für Trachten, Bier und Mohnnudeln gekommen. Das „waldviertelpur“-Fest am Wiener Rathausplatz ist am Mittwochvormittag gut besucht. Dass sich auch SPÖ-Chef Andreas Babler bei Sonnenschein und Blasmusik unter die Waldviertel-Freunde mischen will, ist den meisten neu. „Ich hab' geglaubt, die Hanni kommt“, wundert sich eine Besucherin und meint die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Die Hanni kommt tatsächlich, aber eben auch Babler.
Denn dieser ist nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden Anfang Juni nach wie vor auf „Comeback-Tour“. Alle österreichischen Bezirke will er abklappern, Hände schütteln und sich bei potenziellen Wählern vorstellen, sei es bei Festen, Betriebsbesuchen oder dezidierten SPÖ-Veranstaltungen. Mehr als die Hälfte der 94 Bezirke (die Wiener Gemeindebezirke rechnen die Genossen nicht einzeln) hat Babler bereits hinter sich.
Babler sorgte nicht für SPÖ-Plus in Umfragen
Eine SPÖ-Veranstaltung ist das Waldviertel-Fest definitiv nicht. Babler trifft auf dem Rathausplatz also nicht nur auf begeisterte Anhänger. „Babler bla bla“, sagt ein Mann aus Wien-Donaustadt. Der Neue an der Spitze der SPÖ rede viel, verspreche viel, „aber das muss er erst umsetzen können“, ist er skeptisch. „Ich würde mir wünschen, dass er mehr auf den Tisch haut“, sagt eine ältere Frau, die Babler bei der Mitgliederbefragung gewählt hat. „Er ist bis jetzt zu leise. Aber er hat es auch nicht leicht mit den alten Hasen in der Partei.“
Leicht hat es Babler bisher auch nicht in den Umfragen. Seine Wahl an die Parteispitze im Juni euphorisierte vor allem den linken Flügel der SPÖ. Die Sehnsucht nach einem klassischen sozialdemokratischen Programm inklusive Millionärssteuern und Arbeitszeitverkürzung traf einen Nerv bei einem Teil der Genossen und nicht wenige orteten eine Aufbruchstimmung in der davor strauchelnden Partei. In den Umfragen bildet sich diese bisher allerdings nicht ab. Die meisten Befragungen sehen Bablers SPÖ bei gut 20 Prozent, auf einem ähnlichen Niveau wie unter seiner Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner.
Geleaktes Strategiepapier sorgte für Aufregung
Auf dem Rathausplatz wird Babler trotzdem herzlich empfangen. Er schüttelt Hände, einzelne Festbesucher umarmen ihn oder bitten um gemeinsame Fotos. „Er sieht nett aus“, meint ein Wiener Oberstufenschüler, der das Treiben beobachtet. Auch ein anderer jüngerer Besucher findet Babler „sehr sympathisch und volksnah“. Nur ob er auf die richtigen Themen setzt, ist er sich nicht sicher. Er sehe die Förderung des Wirtschaftsstandortes als das wichtigste Anliegen, das schaffe automatisch Arbeitsplätze und Wohlstand.
Vor allem auf Bildung soll Babler setzen, Österreich "zum kinderfreundlichsten Land der Welt machen", empfiehlt dagegen ein Papier des Meinungsforschungsinstituts Sora, das seit Dienstagabend die Runde macht. Die Partei hat es nicht selbst in Auftrag gegeben, bestätigten am Mittwoch sowohl die SPÖ als auch das Institut selbst. Es handle sich um "persönliche Reflexionen" der Meinungsforscher, wie die Sozialdemokraten bei den kommenden Wahlen reüssieren könnten. Als einer, der "gerne unter Menschen ist, sich ihnen nahe und verbunden fühlt", solle sich Babler präsentieren, heißt es in der 42 Seiten langen Powerpoint-Präsentation, die Sora versehentlich an einen falschen E-Mail-Verteiler geschickt hat.
Das kann Babler. Der SPÖ-Chef holt sich ein Bier und setzt sich zu einigen Besuchern an einen Biertisch. Man unterhält sich, die Stimmung am Tisch ist entspannt.
Mateschitz-Kritik kommt nicht gut an
Eine hitzige Diskussion entsteht dagegen nebenan zwischen einem jungen Niederösterreicher und einem Wiener Pensionisten. Ersterer ist von Babler und seinen Forderungen angetan, eine "Millionärssteuer" wäre längst überfällig, ebenso die von der SPÖ geforderte 32-Stunden-Woche. „Österreich gehört zu den fünf Ländern in Europa mit den niedrigsten Millionärssteuern“, sagt er und fordert, Vermögen stärker zu besteuern und Steuern auf Arbeit zu senken.
Sein Gesprächspartner sieht das anders. Die Menschen seien heutzutage immer nur unzufrieden, die Medien würden das befeuern, meint er. Und auch für Bablers „Millionärssteuern“ kann er sich kaum erwärmen. Vor allem nicht dann, wenn die SPÖ dafür mit dem 2022 verstorbenen Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz hausieren geht. „Der hat sein Geld ehrlich erwirtschaftet und viel für Österreich getan“, meint der Pensionist.
Babler: "Habe das Ganze nicht gelesen"
Kann Babler eine Wahl gewinnen? „Absolut“, ist der Jüngere überzeugt. „Er ist einer, der sich für die kleinen Leute einsetzt“. Das sagen auch Bablers Fans innerhalb der Sozialdemokratie, die hoffen, sich mit einem Linkskurs zurück auf den ersten Platz kämpfen zu können. „Da müsste er schon viel moderater werden“, widerspricht der Pensionist aus Favoriten. Auch das würden wohl einige Genossen bestätigen, nämlich jene, die eher rechts der Mitte noch Potenzial für die SPÖ gesehen hätten.
Im irrtümlich veröffentlichten Strategiepapier wird der SPÖ Potenzial bei der Arbeiterschaft ohne Matura bescheinigt und bei berufstätigen und älteren Frauen im ländlichen Raum, die die Roten in hoher Zahl an die Kurz-ÖVP verloren hätten. So das Sora-Papier. Babler ist von dessen Inhalt weniger angetan. „Ich habe das Ganze nicht einmal gelesen, nur die Medienberichte darüber“, zeigt er sich gelassen, bevor er weitere Hände schüttelt und sich unter die Festgäste mischt. Ob er auf dem Rathausplatz ältere Frauen aus dem ländlichen Raum und Arbeitnehmer ohne Matura von seinen Ideen überzeugen kann, können ihm diese nur selbst beantworten.